Tobias Degode wird neuer OB. Josefa von Hohenzollern hatte sich mehr erwartet. Beide müssen sich zusammenraufen, meint der Leonberger Redaktionsleiter Thomas K. Slotwinski.
Fast alle waren bei der Leonberger OB-Wahl von einer Stichwahl ausgegangen, doch Tobias Degode hat die 50-Prozent-Marke auf Anhieb geknackt. Es ist offenkundig: die Menschen wollen Veränderungen in der Rathaus-Politik und in der Stadt insgesamt, und die trauen sie dem Verwaltungsfachmann aus Düsseldorf am ehesten zu.
Zumal der 38-Jährige seine Kandidatur mit einer Langzeitperspektive verbunden hatte: Zwei, womöglich drei Amtszeiten hat er im Visier. In einem Zeitraum von bis zu 24 Jahren ist eine langfristige Politik leichter umzusetzen. Letztlich haben sich auch die Unkenrufe, dass ein Auswärtiger schlechtere Chancen hätte, nicht bewahrheitet. Die massive Unterstützung von CDU und Freien Wähler, deren Spitzenpersonal sich schwer ins Zeug gelegt hatte, tat sein Übriges.
Tobias Degode hat nun knapp zwei Monate Zeit, um sich auf die Herkulesaufgabe im Leonberger Rathaus vorzubereiten. Die beiden großen Fraktion haben die klare Erwartungshaltung an ihn, dass die Strukturen und die Abläufe bei der Stadt und damit auch deren Attraktivität als Arbeitgeberin deutlich verbessert werden.
OB-Wahl in Leonberg: Chef und Stellvertreterin müssen jetzt klar kommen
Und er muss sich überlegen, wie die Zusammenarbeit mit Josefa von Hohenzollern aussehen soll. Die bisherige Mitbewerberin ist vom 1. Dezember an seine Kollegin und Stellvertreterin. Dass sie selbst gerne den Führungsposten eingenommen hätte, ändert nichts daran, dass sie nun miteinander klar kommen müssen. Beide haben noch am Wahlabend signalisiert, dass sie zu einer konstruktiven Zusammenarbeit bereit sind und wollen sich zeitnah zusammensetzen.
Dass der unselige Konflikt zwischen dem noch amtierenden Oberbürgermeister Martin Georg Cohn und Josefa von Hohenzollern maßgeblich zu ihrem mäßigen Wahlergebnis von 11,9 Prozent beigetragen hat, liegt auf der Hand. Die Menschen goutieren es nicht, wenn sich das Führungspersonal gegenseitig verklagt und die Arbeit durch Dienstverbote lahmgelegt wird. Nun haben die Erste Bürgermeisterin und ihr neuer Chef die Chance zu beweisen, dass es auch anders, nämlich konstruktiv, gehen kann.
OB-Wahl in Leonberg: Zerwürfnis mit Cohn hat Stimmen gekostet
Josefa von Hohenzollern hatte einen überaus engagierten Wahlkampf geführt. Gleichwohl haftete das Zerwürfnis mit Cohn wie Kleister an ihr und dürfte viele davon abgehalten haben, ihr die Stimme zu geben. Auch dass sie offiziell als Prinzessin auf dem Wahlzettel geführt wurde, dürfte so manchen irritiert haben. Prinzessinnen werden in der Regel nicht mit der modernen Arbeitswelt verbunden. Letztlich haben sich offenkundig auch nicht wenige daran gestört, dass die Kandidatin trotz ihres neugeborenen Kindes ein Spitzenamt angestrebt hat.
Marion Beck, die Lokalmatadorin aus Weil der Stadt, hat wiederum mit ihrer natürlichen und sympathischen Art gepunktet. Mit 32,3 Prozent hat sie aus dem Stand ein sehr gutes Ergebnis erzielt, das ihr Perspektiven auf mögliche andere Herausforderungen eröffnet. Noch ein Wort zu Willi Kerler: Der Mann aus der Leonberger Altstadt hatte in der Kandidatenpräsentation ausgesprochen deutliche Worte zur schwierigen Lage der Stadt gefunden. Diese Art von Klartext hat so vielen gefallen, dass er knapp 4,5 Prozent geholt hat. Marisa Betzler, die fünfte im Bund, dürfte nicht unzufrieden sein, dass sie mehr als ein Prozent bekommen hat.
Dass trotz dieser wichtigen Wahl noch nicht einmal die Hälfte die Stimme abgegeben hat, muss alarmieren. Entweder einem großen Teil ist es völlig egal, wer die Stadt führt. Oder aber, was noch schlimmer wäre, haben viele schlicht resigniert.