Haben die Behörden die Probleme durch ausgewaschene Kohleablagerungen ignoriert? Der Vorwurf der Mauschelei steht im Raum. Foto: Archiv (Werner Kuhnle)

Die Stimmung in Walheim (Kreis Ludwigsburg) kocht hoch: Die Bürgerinitiative gegen die Klärschlamm-Verbrennungsanlage der EnBW wirft den Behörden Mauschelei vor.

Der Streit um das EnBW-Gelände in Walheim und um die dort geplante Klärschlammverbrennungsanlage eskaliert. Schlugen die Wellen des Widerstands in den vergangenen Monaten schon hoch, so erhitzt jetzt eine Strafanzeige gegen das Landratsamt Ludwigsburg die Gemüter. Hat die Behörde die Reste der Kraftwerkskohle im Untergrund ordnungsgemäß untersucht? Oder folgte man im Kreishaus der Marschrichtung des Umweltministeriums, das an einer schnellen Lösung pro EnBW interessiert scheint?

 

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart soll Licht in das Dunkel dieser Fragen bringen. Eine Anzeige gegen das Landratsamt liege, so die Initiative Bürger im Neckartal, der Justizbehörde vor. Die BI kämpft seit Jahren gegen die Industrieanlage im engen Neckartal, in dem sich die beiden Orte Walheim und Gemmrigheim gegenüberliegen. Die Initiative befürchtet durch die jährlich angelieferten 180 000 Tonnen nassen Klärschlamms und dessen Verbrennung samt Trocknung eine hohe Umweltbelastung und macht daraus auch in ihrer jüngsten Pressemitteilung keinen Hehl.

Der Widerstand gegen das EnBW-Projekt ist groß. Foto: Werner Kuhnle

Inzwischen hat die EnBW auf dem Gelände mit ersten Bauvorbereitungen, unter anderem mit einer Bodenplatte, bereits Fakten geschaffen. Der Stromkonzern erhielt dafür aus Sicht der BI von den Behörden einen Freifahrtschein. Der Vorhalt: Die EnBW hätte sich erst um die Schadstoffe im Untergrund kümmern müssen. Entsprechende Belastungen durch die ausgewaschene Kohle seien in wenigen Bodenuntersuchungen mit deutlichen Überschreitungen der Grenzwerte nachgewiesen worden, argumentieren Rudi Ringwald und Matthias Appelt für die BI.

Die Bürgervertreter, die mehr als 3500 Unterschriften gegen das Projekt gesammelt haben, kritisieren massiv das Verhalten der Kreisbehörde angesichts der festgestellten Belastungen: „Das Landratsamt Ludwigsburg hatte zunächst Bedenken gegen das Bauvorhaben angemeldet, diese aber nach nur zwei Wochen ohne weitere Untersuchungen und Erklärungen zurückgezogen.“

Die Staatsanwaltschaft bestätigt den Eingang der Anzeige

Ringwald und Appelt weisen auf vergleichbare Fälle in Sachsen oder im Saarland hin. „In Walheim ist aber keine Entsorgung des vermutlich belasteten Untergrundes angedacht.“ Eine Bodenplatte auf der Kohlelagerfläche sei vorzeitig genehmigt worden. Die Strafanzeige sei die Folge. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart bestätigte am Mittwoch den Eingang der Anzeige.

Das Landratsamt hingegen erklärte am Mittwoch: „Eine Strafanzeige in Sachen Klärschlamm-Heizkraftwerk in Walheim liegt uns nicht vor.“ Das Landratsamt sei im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Verfahrens des Regierungspräsidiums Stuttgart als Träger öffentlicher Belange angehört worden. Die Behörde habe unter anderem zum Thema Altlasten Stellung genommen: „Hierbei wurden keine Bedenken gesehen und geäußert.“

Gibt das Umweltministerium den Takt zu Gunsten der EnBW an?

Ins Fadenkreuz ihrer Kritik nehmen die beiden BI-Sprecher indessen nicht nur das Landratsamt Ludwigsburg. Auch das Regierungspräsidium Stuttgart habe zu Gunsten der EnBW agiert. Diese gehe aus Zwischenbescheiden des Petitionsausschusses im Landtag hervor, an den sich immer mehr Bürger wandten. Das RP habe die wasserrechtliche Genehmigung und weitere Maßnahmen zur Realisierung des Baus gewährt, nachdem das Umweltministerium die nachgeordnete Behörde dazu aufgefordert habe. Dem Ministerium wirft die BI vor, das betriebswirtschaftliche Interesse der EnBW über das Wohl der Bürger zu stellen.

Wie hoch wäre die Umweltbelastung?

Schadstoffe
Laut BI entweichen bei der Verbrennung jährlich vier Megawatt thermische Restwärme, die ohne Nutzung an die Umgebungsluft abgegeben werden. Trotz Filterung erfolge ein immenser Gesamtschadstoffausstoß von jährlich mindestens 76 Tonnen, darunter Chlor, Schwefel und Quecksilber – die EnBW habe eine Masse von 25 Tonnen bestätigt. Da gesetzliche Grenzwerte für Lachgas fehlten, werden zusätzlich „gewaltige und anerkannt gesundheitsbelastende“ Mengen davon ebenso freigesetzt wie CO2, was einem Ausstoß von 50 000 Autos entspreche.

Verkehr
Der Klärschlamm soll aus den Regionen Heilbronn-Franken und Ostwürttemberg herangekarrt werden. Von diesen 120 Lkw-Fahrten geht laut BI nicht nur ein erhebliches Maß an Schadstoffemissionen, insbesondere bei Inversionswetterlagen, sondern aufgrund der Topografie auch eine massive Lärmbelästigung aus.