Gegen die geplante Klärschlammverbrennungsanlage am Walheimer Neckarufer regt sich Widerstand. Foto: Archiv (Oliver Bürkle, Werner Kuhnle)

Der Energiekonzern will die Veränderungssperre des Walheimer Gemeinderats nicht hinnehmen und reicht Klage beim Verwaltungsgerichtshof Mannheim an.

Walheim - Doppelgleisig fährt der Energiekonzern EnBW nach dem Nein des Walheimer Gemeinderats zur geplanten Klärschlammverbrennungsanlage auf dem Kraftwerksgelände am Neckar. Mit einer Normenkontrollklage vor dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim kämpft die EnBW gegen die von den Räten kürzlich beschlossene Veränderungssperre. Zugleich will das Unternehmen den öffentlichen Dialog mithilfe eines Kommunikationsunternehmens weiterbetreiben.

Der Klärschlamm aus 100 Kilometern Umkreis soll nach den EnBW-Plänen in Walheim spätestens vom Jahr 2026 an verbrannt werden. Das Kohlekraftwerk in Heilbronn dient dann nicht mehr der Stromgewinnung. Mit dem Ausstieg aus der Kohleverstromung sind im gesamten Bundesgebiet neue Verbrennungsanlagen für den Klärschlamm nötig, zumal es auch nicht mehr erlaubt ist, den Schlamm auf den Feldern auszubringen.

Die Anlage soll laut EnBW keine Gerüche abgeben

Als Problemlöser sieht sich die EnBW, weil rund um Walheim rund 280 000 Tonnen getrockneter Klärschlamm jährlich entsorgt werden müssen. „Diese hochmoderne Anlage riecht nicht, weil sämtliche Emissionen abgesaugt werden“, erklärte der EnBW-Verantwortliche Andreas Pick beim Pressegespräch im Walheimer Kraftwerk am Montag. Auch die Staubbelastung sinke auf etwa ein Prozent des Ausstoßes, den das Kohlekraftwerk aktuell im Notbetrieb von sich gebe.

Aus Sicht des Unternehmens steht die Anlage auch für die Energiewende und entspreche den Vorgaben des Regionalplans des Verbands Region Stuttgart (VRS). Mit der Fernwärme könnten rund 300 Haushalte in Walheim versorgt werden. Der Konzern sieht die Kommunen ebenfalls in der Pflicht, aus dem Klärschlamm Phosphor zu gewinnen – ein Rohstoff, der für die Waschmittelindustrie wichtig ist und laut EnBW auf Dauer komplett importiert werden müsste.

Zufällig ausgesuchte Bürger sollen öffentlichen Dialog führen

Die Veränderungssperre greife in das Eigentum der Energie Baden-Württemberg ein und blockiere weitere Planungen, auch für die Kraftwerke, sagte Andreas Pick. Die Normenkontrollklage biete Rechtssicherheit, um das Gespräch mit der Gemeinde fortzusetzen. Parallel dazu will die EnBW mithilfe eines Kommunikationsunternehmens einen Bürgerrat mit rund 17 bis 23 zufällig ausgesuchten Bürgerinnen und Bürgern aus Walheim und der Umgebung für einen öffentlichen Dialog bieten.

Im Juni hatte die EnBW ihre Pläne für den alten Kraftwerksstandort in Walheim bekannt gegeben. Dort wird seit 1964 aus Kohle Strom hergestellt. Nach einer Gesprächsphase mit den Gemeinderäten, auch in den Nachbarkommunen Gemmrigheim, Kirchheim und Besigheim, riss der Dialog nach dem Walheimer Beschluss ab. „Wir hoffen, dass die EnBW einlenkt“, sagt die Bürgermeisterin Tatjana Scheerle. Der Gemeinderat wolle das Gelände eher für Kleingewerbe und Wohnbebauung sowie touristische Ziele nutzen. Den Dialog mit dem Energiekonzern wolle die Gemeinde nur auf Basis des eigenen Beschlusses fortsetzen. Zunächst sollen sich die betroffenen Nachbarn äußern.

Gemmrigheimer Bürgermeister will Resolution verabschieden

Kritisch beäugen auch die Nachbarkommunen das EnBW-Projekt. „Wir werden heute Abend eine Resolution verabschieden, mit der wir uns Walheim anschließen“, sagte am Montagnachmittag der Gemmrigheimer Bürgermeister Jörg Frauhammer. Seine Gemeinde liege nur wenige Hundert Meter von der Industrieanlage entfernt und würde einen Großteil der Gerüche abbekommen. Mehrere Gründe sprächen dagegen, „direkt gegenüber von den Trockenmauern als einem der größten Denkmäler der Welt“ eine solche Anlage zu bauen. Zudem stehe die Kommune kurz vor einem Verkehrskollaps.

Dass das Maß voll ist mit Industrieanlagen im Neckartal – dem benachbarten Gruppenkernkraftwerk Neckarwestheim, einer „überlaufenden“ B 27 mit täglich 20 000 bis 25 000 Fahrzeugen –, steht für den Kirchheimer Rathauschef Uwe Seibold fest. „Mein Bauchgefühl sagt mir, dass es zu einem deutlichen Beschluss kommt.“

Der Gemeinderat von Besigheim stimmt am nächsten Dienstag ab

Einig mit ihrer Resolution sind sich offenbar auch die Besigheimer, die nächsten Dienstag abstimmen, erklärt deren Bürgermeister Steffen Bühler (CDU). Er bedaure die Klage der EnBW gegen das Selbstbestimmungsrecht einer Kommune.

Wie funktioniert ein Bürger-Rat?

Auftrag
 Die Energie Baden-Württemberg (EnBW) beauftragt den Kommunikationsexperten Frank Ulmer damit, einen Bürger-Rat mit 17 bis 23 zufällig ausgewählten Personen aus den Kommunen Walheim, Gemmrigheim, Kirchheim, Besigheim und Bietigheim-Bissingen zu bilden.

Öffentliche Anhörung
 Der neu gebildete Rat hat keine Beschlussfunktion wie ein Gemeinderat, soll die Räte aber beraten können. Frank Ulmer und sein Team begleiten die Gruppe, die sich jederzeit auf Kosten der EnBW Hilfe durch einen fachlich versierten Experten einholen darf.

Rechtliche Grundlage Bürger-Räte werden im Koalitionsvertrag des Landes als informelles Instrument der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung erwähnt. Sie werden nach Quoten telefonisch gebildet, tagen in der Regel virtuell, und erhalten eine Aufwandsentschädigung.