Bürgermeisterin Isabel Fezer will den Streit um Gebühren weiter vor Gericht klären lassen Foto: Max Kovalenko/PPF

Am Freitag hat das Verwaltungsgericht mit Stuttgart erstmals eine Kommune im Land dazu verurteilt, Mehrkosten der Kleinkindbetreuung in einer privaten Krippe zu übernehmen. Für Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer (FDP) geht es für die Stadt nicht um 5620 Euro plus Zinsen, sondern um Grundsätzliches.

Stuttgart - Frau Fezer, das Urteil des Verwaltungsgerichts am Freitag war deutlich. Sie prüfen dennoch, ob die Stadt gegen die verfügte Zahlung des Differenzbetrags zwischen stätischer und privater Kita-Betreuung in Berufung geht. Warum?
Ja, wir prüfen den Antrag auf Zulassung der Berufung tatsächlich, schließlich nehmen wir den Fall ernst. Doch zunächst müssen wir die Urteilsbegründung abwarten, das gehört zu einer seriösen juristischen Arbeit. Ich gehe aber davon aus, dass wir Berufung einlegen werden.
Worauf stützen Sie Ihre Ansicht?
Das Stuttgarter Gericht hat auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts verwiesen. Dieses bezog sich auf einen Tagesstätten-Platz in Rheinland-Pfalz, der in diesem Bundesland grundsätzlich gratis ist. Wer dort sein Kind in einer privaten Einrichtung betreuen lässt, bekommt diesen privaten Platz daher bezahlt. Die Sachlage in Stuttgart ist aber eine andere.
Wenn die Stadt gesetzliche Vorgaben nicht erfüllen kann und Eltern ihre Kleinen privat versorgen lassen, liegt die Kostenübernahme doch nahe.
Wir sind nicht die einzige Großstadt, die noch nicht ausreichend Kita-Plätze zur Verfügung stellen kann. In München haben Eltern auch Ansprüche gestellt. Dort hat das Gericht sie abgewiesen beziehungsweise die Kläger auf schlechte Erfolgsaussichten hingewiesen. Unser Fall ist mit München vergleichbar. Ein Antrag auf Zulassung zur Berufung ist daher wahrscheinlich. Sie liegt mit Blick auf München wirklich nahe.
Die Eltern hören das sicher nicht gern.
Geklagt haben vernünftige Eltern, die alles Recht der Welt auf eine Betreuung ihres Kindes haben. Es geht hier nicht um den Einzelfall, sondern um das Prinzip. Wir wollen eine klare und für alle Seiten sichere Rechtslage herbeiführen.
Aktuell gibt es 23 Klagen gegen die Stadt. Drei Eilverfahren wurden vom Gericht abgewiesen. Prüfen Sie die 23 Fälle auf Abhilfe?
Wir haben die Fälle geprüft. Es gibt auch Eltern, die Ansprüche geltend gemacht haben, bei denen die Voraussetzungen aber gar nicht vorliegen. Ich werde diese nicht anderen Eltern vorziehen, die die Stadt nicht verklagen. Aber natürlich ist eine Klage in einem Rechtsstaat ein legitimes Mittel.
Das Verwaltungsgericht hat deutlich die Organisation Ihres Hauses gerügt. Sie dürfen die Kita-Platzsuche nicht auf die Eltern abwälzen.
Wir bieten seit etwa einem Jahr ein zentrales Anmeldeverfahren, an dem auch die private Einrichtung teilnimmt, um die es am Freitag ging. Wir haben eine elektronische Plattform für die Suche und Anmeldung, und wir teilen mit, wenn es freie Plätze gibt.
Wie viele Einrichtungen sind dabei?
Stadtweit inzwischen etwa 90 Prozent. Die Plattform läuft gut.
Das Gericht hat dennoch erhebliche Bedenken geäußert, ob die Stadt ihrer Gesamtverantwortung gerecht wird.
Man muss unterscheiden zwischen zentraler Anmeldung und zentraler Platzvergabe. Die zentrale Vergabe haben wir nicht, die macht auch keine andere Großstadt, soweit wir das wissen. Außerdem will der Gesetzgeber Pluralität, ein vielfältiges Angebot. Jugendhilfeangebote werden deshalb nicht nur vom Träger Stadt Stuttgart gemacht. Weil die Trägervielfalt erwünscht ist, erhalten auch alle privaten Einrichtungen eine öffentliche Förderung der Sach- und Personalkosten in Höhe der vom Land vorgeschriebenen mindestens 63 Prozent. Und dazu gibt es dann noch zusätzlich die freiwillige Förderung der Stadt.
Aber eine städtische Förderung der Gebühren erhalten nicht alle.
Das ist richtig. Wer mehr als 150 Prozent der städtischen Elterngebühren verlangt, bekommt keine freiwillige städtische Förderung mehr.
Das Gericht sieht die Sätze in der betreffenden Kita als angemessen an. Es sagt, die Eltern hätten keine überzogenen Kosten verursacht. Und die städtischen Gebühren decken nach Ihrer Rechnung nur zehn Prozent der tatsächlichen Kosten.
Es ist eine unternehmerische Entscheidung, deutlich höhere Elterngebühren zu verlangen oder eben die städtische Förderung zu erhalten. In manchen Fällen kann es für die Anbieter offenbar lukrativer sein, hohe Elterngebühren statt der Förderung zu erhalten.
Die Stadt bietet selbst nur 28,5 Prozent aller Plätze für die unter Dreijährigen. Sie setzen also auf überwiegend private Bedarfsdeckung und sparen sich so Millionen an Investitionskosten. Dann könnte die Stadt doch die Differenzkosten der Betreuung bezahlen.
Das stimmt nicht. Alle Träger in Stuttgart, ausgenommen privat-gewerbliche und Träger von Betriebskindertagesstätten, erhalten 75 Prozent der Investitionskosten. Das sind weit über 95 Prozent aller Träger in Stuttgart. Wenn wir die berechtigten Betreuungsansprüche der Eltern erfüllen wollen – und dies müssen und wollen wir ja –, geht das nur über den weiteren intensiven Ausbau der Plätze durch alle Träger in ihrer Vielfalt. Wenn wir die bereits beschlossenen Vorhaben umgesetzt haben werden, erreichen wir eine Versorgungsquote von etwa 60 Prozent.