Gegen den 47-Jährigen Kirill Serebrennikow, ein russischer Theaterregisseur, werde wegen Betrugsverdachts ermittelt, teilte das staatliche Ermittlungskomitee am Dienstag in Moskau mit. Foto: dpa

Zwei Monate vor seiner geplanten Opernpremiere in Stuttgart ist der regierungskritische russische Theaterregisseur Kirill Serebrennikow in Moskau festgenommen worden. Die neue Operninszenierung dürfte wegen der Festnahme gefährdet sein.

Moskau/Stuttgart - Gegen den 47-Jährigen Kirill Serebrennikow, ein russischer Theaterregisseur, werde wegen Betrugsverdachts ermittelt, teilte das staatliche Ermittlungskomitee am Dienstag in Moskau mit. Der international bekannte Regisseur sollte in Stuttgart am 22. Oktober „Hänsel und Gretel“ als erste Opernpremiere der neuen Spielzeit inszenieren.

Die Leitung der Stuttgarter Oper, an der Serebrennikow 2015 mit großem Erfolg „Salome“ inszeniert hatte, kritisierte das Vorgehen gegen den Künstler als politisch motiviert. Die neue Operninszenierung dürfte wegen der Festnahme gefährdet sein. Allerdings hoffe das Theater weiter, dass Serebrennikow planmäßig am 18. September mit der Arbeit beginnen könne, sagte ein Sprecher am Dienstag.

Serebrennikow soll Geld veruntreut haben

Der Leiter des Moskauer Gogol-Theaters stehe im Verdacht, zwischen 2011 und 2014 staatliche Gelder von 68 Millionen Rubel (knapp eine Million Euro) veruntreut zu haben, teilten die russischen Ermittler mit. Die Behörden hatten die Wohnung des Regisseurs und das Gogol-Theater im Mai durchsucht. Drei frühere Mitarbeiter wurden mit Untersuchungshaft oder Hausarrest belegt.

„Mit Skepsis und Sorge verfolgen wir die Festnahme Kirill Serebrennikows“, sagte der Sprecher der Stuttgarter Oper. Es sei unzweifelhaft, dass der Regisseur stets ein künstlerisches Programm auf höchstem Niveau und mit allergrößtem Erfolg realisiert habe. „Wir appellieren an die mit seinem Fall befassten Behörden, sich nicht - von welchen Kräften auch immer - instrumentalisieren zu lassen“, hieß es in einer Stellungnahme des Opernhauses.

Serebrennikow war nach Behördenangaben zunächst Zeuge in dem Verfahren. Weil aber sein Pass eingezogen worden war und er nicht ins Ausland reisen durfte, fürchtete er eine Verhaftung. Den Vorwurf der Veruntreuung wies er zurück. Allerdings hat ihn die inhaftierte frühere Chefbuchhalterin seiner Produktionsfirma „Siebtes Studio“ in Vernehmungen belastet. Viele russische Künstler haben eine Freilassung der inhaftierten Theatermacher gefordert.

Für die Märchenoper „Hänsel und Gretel“ hatte Serebrennikow in Stuttgart ungewöhnliche Pläne. „Wir inszenieren das Stück mit afrikanischen Kindern aus einem Dorf in Ruanda“, sagte der Filme- und Theatermacher bei einem Besuch im Februar in Stuttgart. „Es geht um die Träume dieser Kinder, die sich ein besseres Leben wünschen, die sich nach Glück sehnen.“

Mehrfach Probleme in Russland für Regisseur

Die Erfahrungen des Jungen und des Mädchens, wie sie ihr Dorf in Afrika verlassen, das erste Mal ein Flugzeug besteigen und in ein Theater gehen, sollten auch in einem Dokumentarfilm festgehalten werden. Ein großer Teil ist bereits gedreht. Der Streifen sollte dann während der Aufführungen Teil des Bühnengeschehens werden. Studenten der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg begleiteten das Projekt mit einem eigenen Dokumentarfilm.

In Russland sah sich Serebrennikow mehrfach Problemen gegenüber: Als er in der Vergangenheit einen Film drehen wollte über Peter Tschaikowsky (1840-1893), verlor er die staatliche Filmförderung, weil er das Schwulsein des Komponisten nicht unerwähnt lassen wollte. Im Juli stoppte das Bolschoi Theater sein neues Ballett über das Leben des Tänzers Rudolf Nurejew (1938-1993), der sich aus der Sowjetunion abgesetzt hatte und an Aids gestorben war, kurz vor der Welturaufführung. Besorgt hatte er sich zuletzt gezeigt, weil seine eigene Homosexualität Thema in Moskau wurde. Schwule und Lesben sehen sich massiv ausgegrenzt in Russland.