Der Dachreiter ist aus Kupfer. Foto: Julia Bayer

Das Türmchen der Kirche Sankt Martin in der Neckarvorstadt ist nur ein kleiner Dachreiter. Vor der Zerstörung der Kirche im Zweiten Weltkrieg gab es einen zweiten Turm. Der wurde jedoch nicht wieder aufgebaut.

Bad Cannstatt - Bei Brie denken die meisten Menschen wohl an Weichkäse. Wer weiß, warum dieser so heißt, auch an die gleichnamige Region in Frankreich. Die wenigsten würden Brie allerdings mit der Neckarvorstadt in Verbindung bringen. Und das, obwohl diese einst genau so hieß. Zu Zeiten nämlich, als sie noch ein eigenständiges Dorf war. Die Martinskirche, heute in der Neckarvorstadt ansässig, stand zu dieser Zeit noch auf der Altenburg. „Das war die Urkirche“, erzählt Manfred M. Scherer, der zweite Kirchengemeineratsvorsitzende der katholischen Gemeinde.

Wo exakt sie stand, wie sie aussah und ob sie auch einen Kirchturm wie den heutigen Dachreiter hatte, ist bis heute nicht bekannt. In die Brückenstraße zog die Gemeinde auf eine Verfügung des Herzogs hin. 1516 wurde Sankt Martin an seinem heutigen Standort erbaut. Kommendes Jahr feiert die Gemeinde das 500-jährige Bestehen.

Nach der Reformation war die Kirche eine Fruchtscheuer

Nur wenige Jahre nach dem Bau hatte die Martinskirche schon wieder ausgedient, wie Scherer zu berichten weiß. Nach der Reformation wurde der Sakralbau mehrere Jahrhunderte als Fruchtscheuer genutzt. „Im 19. Jahrhundert sind hier sogar Volksfest-Utensilien gelagert worden“, verrät er.

1857 bis 1858 wurde die Kirche schließlich umgebaut und die Gemeinde wieder neu gegründet. Damals hatte der Bau nicht nur den Dachreiter, wie es ihn bis heute gibt, sondern sogar noch einen zweiten Turm an der Nord-Ost-Seite, wie Bilder aus dieser Zeit belegen. Heute ist von diesem nichts mehr zu sehen, im Krieg wurde Sankt Martin fast komplett zerstört und von 1948 bis 1950 schließlich ohne zweiten Turm wieder aufgebaut. Aber wieder mit dem kleinen Türmchen auf dem Dach, das „Bescheidenheit ausdrücken soll“, wie Scherer erklärt.

Gerade drei Glocken passen in das Türmchen

Zugänglich ist der Turm aus zwischenzeitlich oxidiertem Kupfer nicht. Nur Profis steigen hinauf, wenn sie die drei Glocken warten oder reparieren müssen. Dreimal am Tag läuten diese und schlagen zu jeder Viertelstunde. Mehr beherberge der Reiter nicht, sagt Scherer. „Er ist viel zu klein, um als Stauraum genutzt zu werden.“

Steckbrief:Höhe:
30 Meter Baujahr:
1950 Besonderheit:
Wachte einst über Volksfest-Utensilien