In der Musikwerkstatt der Stiftung Tragwerk können sich Jugendliche unter Anleitung von Pädagoge Luis Cordeiro dos Santos ausprobieren. Foto: Ines Rudel

Mit dem Projekt „Gemeinsam stark“ spricht die Stiftung Tragwerk in Kirchheim Kinder und Jugendliche an. Sie sollen sich selbst und andere in der Gruppe erleben und die Vereinzelung aus Pandemiezeiten überwinden lernen.

Mit Sport, Kunst und Abenteuer sollen Kinder und Jugendliche aus ihrer Blase heraus gelockt werden, die manche seit der Coronapandemie nur noch mit Mühe verlassen können. Vereinsamung und psychische Auffälligkeiten sind seither bei jungen Menschen häufiger geworden, wie zahlreiche Studien belegen. Vor diesem Hintergrund bietet die Kirchheimer Stiftung Tragwerk seit eineinhalb Jahren freizeitpädagogische, sportliche und kreative Angebote an. Zeit für eine Zwischenbilanz.

 

Mehr Gemeinschaftserlebnisse für Kinder und Jugendliche

„Wir wollen, dass die von uns betreuten Kinder und Jugendlichen wieder mehr Gemeinschaft erleben“, erklärt der Pädagoge Luis Cordeiro dos Santos das Anliegen. Er hat für die diakonische Stiftung Tragwerk mit Sitz in Kirchheim das Projekt „Gemeinsam stark“ entwickelt. Es soll Heranwachsende angesichts der aktuellen Krisen stärken und ihre Zukunftsängste abbauen helfen.

Auch dieses Graffiti im Hintergrund ist im Zusammenhang mit dem Tragwerk-Projekt entstanden. Foto: Ines Rudel

Das soll durch Gruppen- und Gemeinschaftserfahrungen gelingen, bei denen die Kinder und Jugendlichen aus den Wohngruppen und den Erziehungshilfestellen von Tragwerk wieder Anschluss finden, Vertrauen aufbauen und Belastungen abbauen sollen. „Wir wollen Erfolge in der Gruppe vermitteln“, beschreibt dos Santos die Absicht. Wer zum Beispiel erlebt, wie alle gemeinsam auf einer mehrtägigen Bergtour die körperlichen Anstrengungen meistern, teile die guten und schlechten Momente und so etwas könne den Zusammenhalt fördern. „Abends waren alle ganz angetan, weil sie festgestellt haben: ich kann das“, fasst Tragwerk-Vorstand Jürgen Knodel das Erlebte zusammen.

Tatsächlich war die zweitägige Hüttentour im Allgäu mit der Besteigung des 1700 Meter hohen Grünten ein besonderes Erlebnis für die Teilnehmenden. Und weil die Tour ein Erfolg war, soll es in diesem Jahr wieder ein ähnliches Angebot geben. Es muss aber nicht immer gleich ins Gebirge geben, wie Knodel betont. Klettern und Bouldern lässt sich dank der Kooperation mit dem Deutschen Alpenverein auch unterm Jahr organisieren, ergänzt der Pädagoge Rainer Hermann, der immer wieder Kurse auch in der Kirchheimer Kletterhalle Stuntwerk anbietet. Bei solchen Aktionen gehe es auch um die Themen Mut, Vertrauen und Überwindung, aber es brauche nicht immer die große Herausforderung. Für manche Kinder und Jugendlichen sei es bereits ein großer Schritt, überhaupt ein Angebot anzunehmen und häufig müssten sie dazu von den Pädagoginnen und Pädagogen bei Tragwerk erst ermutigt werden. Der Heimerzieher dos Santos erklärt: „Unser Angebot ist auch eine Brücke in die Vereine.“ Manche Kinder und Jugendlichen seien zunächst so verhaltensauffällig, dass für sie ein regelmäßiges Vereinsangebot zunächst nicht in Frage komme. Deshalb habe er für Tragwerk regelmäßige wöchentliche Angebote wie rangeln und raufen, Fußball, aber auch eine Mal- und eine Musikwerkstatt auf die Beine gestellt.

Medienkonsum kann soziale Erlebnisse nicht ersetzen

Dort gehe es auch ums soziale Verhalten und die Grundregeln in einer Sportgruppe, ums Aufwärmen, abklatschen und auch mal den Mund halten. Wichtig sei auch das haptische Erleben, das Selbermachen, Experimentieren und sich ausprobieren, erklärt Hermann, lauter Erfahrungen, die man beim einseitigen Medienkonsum nicht erleben könne. Wie wichtig auch künstlerischer Ausdruck sein kann, beschreibt Jürgen Knodel am Beispiel einer Jugendlichen, die zum Gespräch mit dem Jugendamt über weitere gemeinsame Schritte ein selbstgemaltes Bild mitbrachte, das ihre Stimmungslage widerspiegeln sollte.

Das durch Spenden finanzierte Projekt soll in diesem Jahr weiterlaufen. Dos Santos und ein Begleitkreis tüfteln bereits am Programm rund um Workshops und Ausflüge.