Vor dem Landgericht geht es seit Freitag um eine Messerattacke in einem ehemaligen Kirchheimer Flüchtlingsheim. Foto: dpa

Ein 32-Jährigen ist angeklagt, in einer ehemaligen Kirchheimer Asylunterkunft auf einen damaligen Mitbewohner eingestochen zu haben. Er muss sich vor dem Landgericht Stuttgart wegen versuchten Totschlags verantworten.

Kirchheim - Der Grund, weshalb der 32-jährige Tunesier im vergangenen März mit einem Messer auf einen damals 27 Jahre alten Gambier eingestochen haben soll, ist banal. Zwischen den beiden damaligen Bewohnern einer ehemaligen Kirchheimer Flüchtlingsunterkunft war offenbar ein Streit darüber entbrannt, wer wann welche Dusche benutzen darf. Das Opfer ist mit Stich- und Schnittverletzungen an der Hand davon gekommen, der mutmaßliche Täter muss sich seit Freitag wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzungen vor der 1. Schwurgerichtskammer des Landgerichts verantworten.

Laut der Stuttgarter Staatsanwaltschaft hat er am Nachmittag des 16. März dem jungen Gambier mit einem 20 Zentimeter langen Messer nach dem Leben getrachtet. Doch der habe den Stich in Richtung seines Körpers mit der Hand abwehren können, dabei aber schwere, stark blutende Verletzungen an beiden Händen erlitten. Ein tiefer Schnitt hatte gar Nerven durchtrennt und musste im Nürtinger Krankenhaus operativ behandelt werden.

Getrennte Duschen für Schwarz- und Nordafrikaner

Der Angeklagte schweigt zunächst zu den Vorwürfen. Gegenüber einem psychiatrischen Sachverständigen war er im Vorfeld des Prozesses gesprächiger. Diesem bestätigte er, es sei zum Streit wegen einer Dusche gekommen. Die Duschen seien in der Unterkunft für Schwarz- und Nordafrikaner getrennt gewesen. Daran habe sich der Gambier, bei dem er im Übrigen schon Marihuana gekauft habe, nicht gehalten. Dieser habe darauf bestanden, jene Brause zu benutzen, die er sich bereits ausgesucht hatte. Weil der Zwist zu eskalieren drohte und der Schwarzafrikaner „größer und stärker“ als er sei, habe er zur Einschüchterung das kleine Messer aufgeklappt, das er oft an seinem Schlüsselbund trage. Dieses sei höchstens fingerlang. Die in der Anklage beschriebenen Ausmaße seien stark übertrieben. Daraufhin habe ihn sein Widersacher mit einem Besenstiel geschlagen, unter anderem gegen seinen Kiefer, der nach einer bei einem Motorradunfall erlittenen Fraktur mit einer Metallplatte fixiert worden war. Schließlich seien sie beide beim Gerangel um das Messer zu Boden gegangen und der 27-Jährige habe sich leicht verletzt. „Ich dachte, damit wäre die Sache erledigt.“ Das Messer zu zücken, sei freilich dumm gewesen, gab er im Gespräch mit dem Gutachter zu.

Was die Folgen seiner angeblichen Unüberlegtheit angeht, täuschte er sich. Denn die Polizei beschäftigte sich mit dem blutigen Streit. Zumal die Verletzungen des Angegriffenen weit schwerer waren als von seinem Widersacher angenommen. Der heute 28-Jährige erzählt die Geschichte im Zeugenstand ohnehin anders. Er habe seine Duschutensilien bereits in der Kabine platziert gehabt und sei nur kurz auf die Toilette gegangen. Die Dusche für die Nordafrikaner habe er stets benutzt, weil sie sauberer gewesen und durch das Fenster von der Sonne beschienen worden sei. Bis dahin sei das nie ein Problem gewesen. Der 32-Jährige habe ihn nun aber beleidigt und darauf hingewiesen, die falsche Dusche zu benutzen. Und er habe darauf bestanden, als Erster zu duschen, „obwohl ich zuerst da war“. Lange habe sich der Tunesier nicht mit Beschimpfungen aufgehalten, denn er sei in sein Zimmer gegangen und mit dem Messer zurückgekehrt. Mit den Händen habe er den Stich in Richtung seines Rumpfs abblocken können, sagt der Gambier. Er habe die Klinge festgehalten und sei übel verletzt worden, als sein Gegner das Messer wieder zurückgezogen habe.

Aus wirtschaftlichen Gründen geflüchtet

Der Angeklagte gibt an, 2011 aus Tunesien ausgereist zu sein. Über Zwischenstationen in Italien und in der Schweiz kam er 2015 nach Deutschland. Er und seine sechs Kindern seien in Armut aufgewachsen. Seinen Asylantrag habe er in Deutschland gestellt, weil er gehofft habe, hier ein besseres Leben zu haben und Arbeit zu finden. Die Verhandlung wird fortgesetzt.