Täuschend echt – so sieht der Krokodilkopf aus Plastik aus. Foto: 7aktuell.de/ 7aktuell

Die Krokodilattrappe, mit der ein Scherzbold die von den Medien angeheizte Hysterie um die Krokodilsichtung im Juni an den Kirchheimer Bürgerseen weiter angeheizt hatte, wird in die Sammlung des Städtischen Museums aufgenommen.

Kirchheim - Tempora mutantur. Die alten Römer hatten recht: Die Zeiten ändern sich. Wer wüsste das besser als Steneosaurus bollensis, das Krokodil aus dem Holzmadener Jurameer, das, nebenbei bemerkt, noch einige Jährchen älter als der älteste aller alten Römer ist.

Musste ein ehrbares Schuppentier seinerzeit mindestens 180 Millionen Jahre auf dem Buckel haben, um als museumsreif durchzugehen, ist es heute mit ein paar Tagen Aufenthalt im Regal eines Baumarkts getan. Musste ein Fossil die Form unter dem Druck tonnenschwerer Gesteinsmassen Jahrmillionen bewahren, reichen heute ein paar Minuten im Brennofen. Und waren früher geübte Restauratoren des weltbekannten Urweltmuseums Hauff in Holzmaden jahrelang damit beschäftigt, die Konturen eines museumswürdigen Reptils freizulegen, genügt heutzutage ein unbekannter Scherzbold, der zwei Plastikattrappen zu Wasser lässt, um einem Krokodil zu einem dauerhaften Platz in einem Museum zu verhelfen.

Krokodil ohne Unterleib

So geschehen jetzt in Kirchheim. Das Krokodil ohne Unterleib, das im Sommer in den nahen Bürgerseen unter- und im medialen Sommerloch aufgetaucht war, ist jetzt ein Bestandteil der Sammlung des Städtischen Museums im Kornhaus. Die trockene Meldung aus dem Rathaus der Teckstadt, wonach das Fundstück aus dem nassen Element nun „im Depot des Städtischen Museums, fachgerecht in einem säurefreien Seidenpapier verpackt“ eingelagert worden ist, hat die bundesdeutsche Medienlandschaft nur am Rande erschüttert.

Ganz anders im Juni, als die Kirchheimer Stadtverwaltung das Schwimmen in den beliebten Badeseen wegen einer vermeintlichen Krokodilsichtung kurzzeitig verboten hatte. Das Krokodil, das als Tiger ins Sommerloch gesprungen war, endete nicht nur als Bettvorleger, sondern machte auf dem Weg dorthin auch noch evolutionär rückwärts – schon zwei Tage später sollte es wieder als Hecht im trüben Flachwasser flösseln. Aber da war es schon lange durch den medialen Fleischwolf gedreht. Selbst in den sonst eher trockenen Lübecker Nachrichten schlängelte sich das Kirchheimer Tier in die Schlagzeilen – gar nicht zu reden von den üblichen Verdächtigen wie der Bild-Zeitung und den mattscheibenen Sensationsjägern von RTL und SAT 1.

Im Museum in bester Höhlenbären-Gesellschaft

Immerhin: Im Kirchheimer Museum befindet sich das Plastikkrokodil nun in bester tierischer Gesellschaft. „Wir haben in unserer Sammlung auch das Skelett eines Höhlenbären aus der Sibyllenhöhle“, sagt Dennis Koep, der Pressesprecher der Stadtverwaltung. Die Replik – das Original befindet sich im Württembergischen Landesmuseum in Stuttgart – ist Teil der Dauerausstellung des Museums gewesen. Allerdings sind die dafür vorgesehenen Räume im Obergeschoss seit drei Jahren geschlossen und harren der Generalsanierung des in die Jahre gekommenen mittelalterlichen Gebäudes.

Während die Kirchheimer Museumsmacher ihr Krokodilwissen auf dem zweiten Bildungsweg erlangt haben, sitzen die wahren Experten ein paar Kilometer albwärts in Holzmaden. Dort herrscht Rolf Hauff über die Urwelt. Die in seinen Museumswerkstätten aus dem Posidonienschiefer herausgelösten Präparate finden sich in allen großen Naturkundemuseen. Hauff sagt: Krokodil ist nicht gleich Krokodil. „Die neuzeitlichen und die fossilen Krokodile haben aber die Archosaurier als gleichen Urahnen“, so der Paläontologe. Ihre anhaltende Faszination bestehe darin, dass die schon zur Triaszeit lebenden Reptilien das Aussterben der Dinosaurier überlebt hätten.

Wenn das Artensterben ungebremst weiter geht, dann wird das Plastikkrokodil im Seidenpapier irgendwann auch einmal seine Artgenossen überlebt haben. Das, immerhin, eint ihn mit Steneosaurus bollensis in seinem Schiefergrab.