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Warum lassen sich Leute für sechs Jahre in den Kirchengemeinderat wählen. Eine Heumadenerin und ein Degerlocher erklären, was sie antreibt.

Filder - Kerstin Häberle wäre enttäuscht, wenn nichts draus wird. „Ich will dabei sein“, sagt sie. Die 39-jährige Heumadenerin möchte Kirchengemeinderätin werden. Am nächsten Sonntag ist es das erste Mal, dass sie sich zur Wahl stellt. Der Pfarrer hatte gefragt, ob sie Lust hat. Sie hat. „Ich mag es, etwas zu gestalten“, sagt Kerstin Häberle. Für die sieben Plätze in dem kirchlichen Gremium der Gemeinde Alt-Heumaden bewerben sich zehn Kandidaten, „es wird also eine echte Wahl“, sagt Häberle. Hoffen und Bangen inklusive.

Am 1. Dezember sind die Menschen in 1369 evangelischen Gemeinden Württembergs aufgerufen, abzustimmen. Sie wählen, wer sie während der nächsten sechs Jahre in den Kirchengemeinderäten vertritt. Zum anderen wählen sie die Mitglieder der Landessynode. Mit politischen Gremien verglichen ist ein Kirchengemeinderat etwa der Gemeinderat, und die Landessynode wäre der Landtag (siehe Kasten). Diese Ähnlichkeit zwischen Kirchlichem und Weltlichem liegt wohl auch in der Historie begründet.

Anno 1851 hatte König Wilhelm I. erstmals Pfarrgemeinderäte genehmigt – der erste Schritt zur Trennung von Staat und Kirche. Dürfen heute alle Evangelischen vom 14. Lebensjahr an und mit Erstwohnsitz in Württemberg wählen, war dies früher ein Privileg der Männer über 30 Jahre.

Heute dürfen Frauen nicht nur wählen, sondern auch kandidieren. So wie Kerstin Häberle. Die 39-Jährige leidet nicht an Langeweile. „Ich habe drei Kinder, einen Mann, Freunde, einen Job, und zum Sport will ich auch noch“, sagt sie. „Ich habe Respekt vor dem zeitlichen Aufwand, der auf mich zukommen würde“, sagt sie. Zeit würde Kerstin Häberle auf den Wegen zu den Sitzungen sparen. Das Kirchlein und das Gemeindehaus sind gleich nebenan. „Da würde zur Not sogar das Babyfon rüberreichen“, sagt sie.

Im Vergleich zu der Heumadenerin ist Joachim Jehn ein alter Hase. Er hat der Kirche schon mehr als sein halbes Leben geschenkt. Das klingt nach einem 70-Jährigen, dabei ist Jehn mitten in seinen Dreißigern. Er hat früh angefangen, hat bei der Jugendarbeit und der Kinderkirche geholfen, er ist ins Amt quasi hineingewachsen. Seit 18 Jahren sitzt er im Kirchengemeinderat der Versöhnungskirche und hat zig Aufgaben in Ausschüssen und Unterausschüssen. Nun bewirbt er sich erneut und ist zuversichtlich, „es müsste schon klappen“. Doch bis ausgezählt ist, redet er lieber im Konjunktiv.

Dass er sich wieder zur Wahl stellen würde, stand für Joachim Jehn nie zur Debatte. „Man hat immer mit Menschen zu tun, und da hat man die meisten positiven Erlebnisse“, sagt er. Er wohnt übrigens nur noch so halb in Degerloch. Der 37-Jährige schreibt zurzeit an seiner Doktorarbeit an der Uni Tübingen – über Landesgeschichte. Am Wochenende pendelt er meist nach Degerloch; er kommt aber auch zwischendurch unter den Fernsehturm, zum Beispiel wenn der Kirchengemeinderat tagt.

Schafft er es sonntags mal nicht in die Versöhnungskirche, besucht er den Gottesdienst der Tübinger Albert-Schweitzer-Gemeinde. „Da ich dort einigermaßen regelmäßig auftauche, wurde ich schon gefragt, ob ich Kirchengemeinderat werden will.“ Er hätte vielleicht Ja gesagt, hätte er das Amt nicht schon anderswo inne. Und in Degerloch ist Joachim Jehns Herz zu Hause.

So geht es Kerstin Häberle mit Heumaden, wo sie aufgewachsen ist. Schon früh habe sie sich in der Gemeinde eingebracht, vor allem für Jugendliche und Kinder. Das wären daher ihre Lieblingsthemen, sollte sie am nächsten Sonntag zur Kirchengemeinderätin gewählt werden. Wie groß ihre Chancen sind, kann sie nicht sagen. „Ich habe keine Vorstellung, wie bekannt ich in der Gemeinde bin.“ Bekommt sie nicht genügend Stimmen, dann, ja dann wäre sie schon ziemlich enttäuscht.