Die Kirche St. Raphael in Echterdingen. Hier hat der inzwischen verurteilte Kirchenpfleger viele Jahre gearbeitet. Foto: /Friedl

Ein früherer Kirchenpfleger bekennt sich zu Beginn einer Verhandlung vor dem Nürtinger Amtsgericht für schuldig. Die Schadenssumme hat er inzwischen zurücküberwiesen. Nach der Urteilsverkündung verzichtet er auf die Möglichkeit der Berufung.

Der Prozess gegen einen früheren Kirchenpfleger der katholischen Gesamtgemeinde Leinfelden-Echterdingen begann mit einer Überraschung: Der Angeklagte erklärte sich in allen Punkten der Anklage für schuldig. Das ließ er über seinen Rechtsanwalt Jonas Gaiser verkünden. Und: Den offiziell festgestellten Schaden in Höhe von 100 000 Euro hat er inzwischen vollständig wieder an die Gemeinde überwiesen.

 

Zwei Jahre Haft auf Bewährung

Insofern war bei der Verhandlung vor dem Amtsgericht Nürtingen auch Wohlwollendes über den Angeklagten zu hören. Das vom Schöffengericht ermittelte Strafmaß entsprach der Forderung des Staatsanwalts: Zwei Jahre auf Bewährung. Es zeigt aber auch die andere Seite: Das ist das Höchstmaß für eine Bewährungsstrafe. Hätte das Urteil auf zwei Jahre und einen Monat oder noch mehr gelautet, wäre daraus zwangsläufig eine Haftstrafe geworden. Deshalb ist es auch nicht allein bei einer Bewährungsstrafe geblieben: Der einstige Kirchenpfleger muss in den nächsten beiden Jahren noch 7500 Euro in monatlichen Raten als Bewährungsauflage bezahlen. Die reine Bewährung an sich erscheint den Juristen als zu passiv. Die Höhe der Summe orientiert sich am Verdienst der Beschäftigung, der er inzwischen nachgeht.

Zunehmende kriminelle Energie

Als Kirchenpfleger und damit als obere Finanzperson der Gemeinde war er eine Vertrauensperson und genoss ein entsprechendes Ansehen, auch außerhalb der Gemeinde hatte er einen guten Ruf als engagierter Christ. Seit 2009 war er in diesem Amt, von 2016 an, aber vor allem von 2017 und 2018 an, wurde ihm der Betrug nachgewiesen. Zunächst waren das vor allem Überweisungen auf ein eigenes Konto, das er bei einem Dienstleiter angelegt hat. Doch zunehmend entwickelte er kriminelle Energie, indem er Rechnungen fälschte. Eine Heizöllieferung für sich hat er so manipuliert, als sei damit die Kirche beliefert worden. Es gibt Rechnungen einer nicht existenten Reinigungsfirma. Damit ist der Straftatbestand der gewerbsmäßigen Untreue erfüllt. Er hatte den für einen Kirchenpfleger bis dahin üblichen Verfügungsrahmen ausgenutzt, mittels dem er ohne Rücksprache Zahlungen tätigen und Leistungen in Auftrag geben konnten. Der lag meist bei 5000 Euro, den hat er aber selten komplett ausgeschöpft. Auf eine Gesamtschadenssumme von 100 000 Euro ist der Staatsanwalt gekommen, die der Gemeinde bis zum Sommer 2021 entstand.

Der real entstandene Schaden wird höher sein, im Kirchengemeinderat wird spekuliert von 120 000 bis 160 000 Euro. Dafür spricht eine kircheninterne Untersuchung. Da wurden mehr als 700 „fragwürdige Buchungen“ entdeckt, so Bernd Watzal, gewählter Vorsitzender des Kirchengemeinderats. Es seien auch Kleinstrechnungen dabei, etwa 2,50 Euro für eine gebrauchte Andrea-Berg-CD, die dem Kindergarten zugeordnet wurde. Auf 37 betrügerische Buchungen hat sich Staatsanwalt Jenuwein konzentriert.

Mehr als 700 fragwürdige Buchungen

In mehrfacher Hinsicht überfordert

Eine Frage sollte auch noch vor Gericht beantwortet werden: Warum wurden diese Betrügereien überhaupt begangen? Hat er sich etwa einen Lebensstil angeeignet, den er mit seinen regulären Einkünften nicht finanzieren konnte? Eine Hausdurchsuchung im Zuge der Ermittlungen konnte dies nicht bestätigen, so der Polizist im Zeugenstand: „Da war vor allem ein großes Chaos“. Als zumindest einigermaßen werthaltig wurden sichergestellt: Ein Pizza-Backofen, eine Kühlbox, die auch an Autos angeschlossen werden kann, und eine Digital-Multifunktionsuhr.

Hier meldet sich erstmals der Angeklagte mit dünner Stimme zu Wort: Er sei überfordert gewesen in mehrfacher Hinsicht: In diesem Amt, aber auch privat aufgrund chronischer Krankheiten und mehrerer Pflegefälle im engsten Familienkreis. So blieb es bei der Erkenntnis, die Jenuwein so formulierte: „Gelegenheit macht Diebe“.

Jetzt wird extern geprüft

Und dies beschäftigt die Gemeinde heute noch: „Wir alle haben ihm sehr vertraut“, so Watzal, „die Buchungen haben bei uns keinen Argwohn erregt“. Dafür ist ja schließlich auch ein Kirchenpfleger da, der die etwa 5000 Buchungen jährlich in solch einer Gemeinde gewissenhaft erledigt. Watzal: „Dieser Betrug hat in der Diözese sehr große Wellen geschlagen. Das hätte auch in jeder anderen Gemeinde geschehen können. Kann man denn überhaupt noch einer Person eine Verfügungssumme gewährleisten?“

Viele lange Sitzungen habe es damals im Sommer 2021 gegeben, nachdem der Betrug offensichtlich wurde. Watzal: „So eine Gemeinde hat ja die Größe eines mittelständischen Betriebs. Da hängen viele Arbeitsplätze dran. Und viele Aufgaben, die trotz allem kontinuierlich weitergeführt werden müssen.“ Und nach wie vor müssen weiterhin viele finanzielle Dinge für die Gemeinde erledigt werden: „Wer etwa eine Kaffeemaschine kaufen oder wer mit seiner Gruppe ein Eis essen gehen will, kann dies nach wie vor tun. Man muss eben in Vorleistung gehen und einen Beleg einreichen“, so Watzal. Inzwischen wurde eine externe Firma damit beauftragt, diese Belege auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen. Ist alles in Ordnung, wird die Vorleistung zurückerstattet.

Bleiben die 100 000 Euro als nicht zu erwartender Posten auf der Haben-Seite der Gemeinde. Was damit letztlich geschieht, ist noch nicht bis ins letzte entschieden, die Richtung ist aber klar: „Alle in der Diözese sind gehalten, bis zum Jahr 2026 im nicht-sakralen Bereich 30 Prozent einzusparen“, so Watzal, „dazu sollen etwa die Gemeindezentren für die Allgemeinheit geöffnet werden.“ Und dazu muss oft erst mal in diese investiert werden.

Bewährungsstrafe
Bei einer Verurteilung von bis zu zwei Jahren kann die Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden. Dies jedoch nur bei Vorliegen besonderer Umstände, welche im Einzelfall begründet werden müssen. Die Bewährungszeit darf fünf Jahre nicht überschreiten und zwei Jahre nicht unterschreiten. Sie beginnt mit der Rechtskraft der Entscheidung über die Strafaussetzung.

Bewährungsauflage
Das Gericht kann dem Verurteilten Auflagen erteilen, die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen. Dabei dürfen an den Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden. Das Gericht kann dem Verurteilten auferlegen, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen. Das ist möglich etwa durch einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung, wenn dies im Hinblick auf die Tat und die Persönlichkeit des Täters angebracht ist. Möglich ist auch, gemeinnützige Leistungen zu erbringen oder einen Geldbetrag zugunsten der Staatskasse zu zahlen.

Kirchenpfleger
Von der Kirchenverwaltung beschlossene Maßnahmen werden vom Vorstand oder vom Kirchenpfleger vollzogen. Dem Kirchenpfleger obliegt insbesondere das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen, das in der Regel nach den Grundsätzen der Kameralistik organisiert ist. Dazu gehört insbesondere die Erstellung eines Haushaltsplans und des Jahresabschlusses. Ebenso gehören in Rücksprache mit dem Vorstand Personalangelegenheiten sowie die Bewahrung und Verwaltung der kirchlichen Kunstschätze und Immobilien zu seinen Pflichten.