In der Kirchengemeinde Schorndorf ist eine Diskussion über Homosexualität eskaliert. Foto: Gottfried Stoppel

Eine Diskussion über Homosexualität in der Schorndorfer Kirchengemeinde endet mit einem Eklat. Eine junge Frau fühlt sich diskriminiert und verlässt weinend den Saal.

Schorndorf - Gespräche, unzählige Gespräche hat Juliane Baur, die Dekanin der Gesamtkirchengemeinde in Schorndorf, geführt, seitdem eine Debatte über Homosexualität in ihrer Gemeinde eskaliert ist. In der letzten Veranstaltung einer mehrteiligen Gesprächsreihe über das Thema hatte sich ein Pfarrer diskriminierend geäußert. Eine Gläubige verließ daraufhin weinend den Saal.

 

Die junge Frau hatte sich bereits vor drei Jahren als homosexuell geoutet und war daraufhin aus einer Gottesdienstband des Christlichen Vereins junger Menschen ausgeschlossen worden. Der Umgang mit Homosexualität sorgte seitdem immer wieder für Debatten in der evangelischen Gesamtkirchengemeinde Schorndorf.

Pfarrer vertreten unterschiedliche Positionen

Zunächst gab es innerhalb des CVJM Gespräche. „Selbst überrascht, betroffen und zunächst vielleicht auch etwas überfordert mit der Situation war uns bewusst, dass wir ein klares Statement zum Thema und der Position des CVJM hierzu verfassen wollen“, erklären die Verantwortlichen heute rückblickend. Das Statement sei im Dezember 2016 verabschiedet worden. Es endet mit dem Satz: „Daher sollen Menschen die homosexuell empfinden, einen festen Platz in unserer Jugendarbeit haben, sowohl als Teilnehmer unserer Angebote, aber auch als Mitarbeiter unserer Gruppen und Kreise.“

Auch in den drei Schorndorfer Teilgemeinden gab es daraufhin intensive Diskussionen – und schließlich die Gesprächsreihe für die Gesamtkirchengemeinde. „Mit der Veranstaltung wollten wir zeigen, dass wir miteinander im Gespräch sind – auch wenn es innerhalb der Gemeinde unterschiedliche Positionen gibt“, erklärt Juliane Baur, die Dekanin. Unter den Pfarrern der Schorndorfer Teilgemeinden vertritt Thomas Fuchsloch als einziger die Auffassung, dass sich Homosexualität mit Hilfe der Bibel nicht positiv begründen lässt.

„Verletzend, diskriminierend und schlicht falsch“

Am letzten Abend der Reihe war die Emotionalität während der Debatte laut der Dekanin höher als an den Terminen zuvor. Als die Referenten jeweils ein Fazit ziehen sollten, habe Pfarrer Fuchsloch seine Position sehr pointiert dargestellt. Unter anderem hatte er behauptet, dass nur etwa fünf Prozent aller homosexuellen Menschen an einer echten Partnerschaft interessiert seien und die anderen 95 Prozent hauptsächlich der Lust und dem Laster frönten.

„Er hätte wissen müssen, dass seine Aussagen in dieser Pauschalität verletzend, diskriminierend und schlicht falsch sind“, sagt Baur, die nach dem Vorfall als unmittelbare Dienstvorgesetzte Gespräche mit Fuchsloch geführt habe. Er habe ein recht rigides Bibelverständnis und nehme biblische Aussagen zur Sexualität wörtlich. Baur hingegen plädiert dafür, die Bibel in Bezug zur Lebenssituation der Menschen zu setzen, die heute eine ganz andere sei als zur Zeit ihrer Entstehung.

„Gottes Liebe gilt allen Menschen. Die sexuelle Orientierung ist gar keine Frage, um die es im Glauben geht. Es geht darum, wie man sein Leben führt“, betont sie. Deshalb findet es die Dekanin „total traurig“, wenn durch die Veranstaltung das Bild entstanden sei, dass Homosexuelle von der Kirche abgelehnt würden. „Eigentlich war das Ziel, homosexuellen Menschen zu vermitteln: ihr seid willkommen.“ Tatsächlich spiele die sexuelle Orientierung für die Übernahme eines Amtes – etwa als Pfarrer – in der Evangelischen Landeskirche Württemberg keine Rolle. „Das ist völlig wurscht“, sagt deren Sprecher Oliver Hoesch. Stattdessen gelte „null Toleranz“ gegenüber Diskriminierung. Aber: „Es gibt innerhalb der Landeskirche durchaus Menschen, die ein Problem mit Homosexualität haben, weil sie dies nicht für biblisch gewollt halten“, so Hoesch weiter. Das sei jedoch ganz klar nicht die Grundhaltung der Landeskirche.

Der Pfarrer entschuldigt sich

Müssen homosexuelle Gläubige negative Folgen befürchten, wenn sie sich outen? „Ich kenne unterschiedliche Fälle“, sagt Hoesch. Tatsächlich gebe es ja leider auch in der Schule, am Arbeitsplatz oder in der Familie bisweilen Ablehnung, wenn ein Mensch seine sexuelle Orientierung offenbare. Ob der Schorndorfer Pfarrer mit Konsequenzen zu rechnen hat, konnte Hoesch nicht sagen. Dazu müsse der Vorfall erst genau geprüft werden.

„Herr Fuchsloch kann sein Bibelverständnis haben – aber er muss alles tun, damit in seiner Gemeinde niemand diskriminiert wird“, betont die Dekanin Baur. „Und er muss sich bewusst machen, wie seine Worte ankommen.“ Sie setzt weiterhin auf Dialog, um die Wogen zu glätten. „Wir bleiben als Kirche zusammen – als Kirche, in der Homosexuelle willkommen sind und in der es keine Diskriminierung gibt.“

Thomas Fuchsloch war aufgrund von Terminen am Mittwoch nicht persönlich zu erreichen, ließ aber Folgendes ausrichten: „Es tut mir leid, dass es zu Verletzungen gekommen ist, ich möchte ausdrücklich niemanden ausschließen, und unsere Gemeinde möchte allen Menschen Raum bieten – dahinter steht auch der Kirchengemeinderat .“