Georg Meistermanns Glasfenster „Der zweite apokalyptische Reiter“ von 1954 Foto: dpa

Wie saniert man ein Kirchenfenster aus den 1960er Jahren? In Nürnberg setzt man für Meistermann-Fenster auf das Internet.

Nürnberg - Die drei wertvollen Kirchenfenster von Georg Meistermann (1911 bis 1990) in der Christuskirche in Nürnberg werden in kleine Stücke geteilt. Ab diesem Sonntag verkauft die evangelische Gemeinde die Fenster – aber glücklicherweise nicht Scherbe für Scherbe.

Sie bietet vielmehr eine Internetaktion an, bei der man für 50 Euro pro Parzelle Fenster-Pate werden kann. Mit der gleichen Fundraising-Methode hat die Augsburger Annakirche vor einigen Jahren ihren barocken „Himmel“ aufgeteilt und etwa 70 000 Euro mit rund 300 Paten erlöst.

An diesem Sonntag wird der Startschuss für die Aktion fallen, kündigt Pfarrer Peter Meyer an, dem die 60 Jahre alten Kunstwerke inzwischen richtig ans Herz gewachsen sind, wie er sagt. Er hat sich mit ihren Motiven und der Künstlerpersönlichkeit Georg Meistermann beschäftigt und hält die Nürnberger Glaskunst für „eines seiner schönsten Werke“.

Mit dem Kunstwerk verbinden

„Auch ein Musikstück kann man nicht erklären“, antwortete Meistermann 1956 auf die Anfrage der Christusgemeinde, zur Einweihung der Fenster sein Werk zu erklären. Vielmehr müsse man sich in das Werk hineinhören und sich mit ihm verbinden.

Das Nordfenster beschreibt er als „Gnadenströme fallen auf ein Meer von Rot, auf eine Welt, die Sie deuten mögen, wie Sie wollen“. Meistermanns Kunst passe so „in die Zeit der Demokratie“, meint Pfarrer Meyer, „der Bürger soll nicht blind gehorsam, sondern frei und mündig“ sein. Meistermann habe die drei Fenster, zwei große und ein kleineres, für diesen Raum geschaffen. Seine Motive seien bewusst mehrdeutig.

Meistermann war der einzige Sohn einer musischen Mutter und eines politisierenden Vaters, eines Abgeordneten der Zentrumspartei. Georg soll in seiner Schulzeit rebellisch gewesen sein und wollte bereits mit 13 Jahren Maler werden. Der Klassenlehrer förderte ihn. Von 1930 bis 1933  besuchte Meistermann die Kunstakademie in Düsseldorf. Seine Werke galten den Nazis als „entartete Kunst“. Er wurde aus der Kunstakademie ausgeschlossen.

Mit Kardinal Julius Döpfner, Joseph Beuys und Heinrich Böll befreundet

Zur kirchlichen Kunst kam Meistermann aus Not. Weil er einen Einkommensnachweis benötigte, um nicht an die Front zu müssen, erteilte ihm eine Kirchengemeinde in Solingen einen Auftrag für ein Kirchenfenster. Nach dem Krieg wurde Meistermann Kulturamtsleiter in Solingen, trat zurück und lehnte auch das Angebot des amerikanischen Präsidenten Dwight Eisenhower ab, in den USA eine Schule zu gründen.

Der katholische Rheinländer Meistermann war mit Kardinal Julius Döpfner, Joseph Beuys oder Heinrich Böll befreundet. Er gestaltete in der Nachkriegszeit auch Kirchenfenster für die Alfonskirche in Würzburg und St. Kilian in Schweinfurt. Die meisten seiner über hundert Werke befinden sich in Gotteshäusern im Westen der Republik.

Restaurierungskosten von etwa 170 000 Euro

Für die Instandsetzung der Meistermann-Fenster in Nürnberg schätzen Fachleute die Restaurierungskosten auf etwa 170 000 Euro. Davon muss die Kirchengemeinde in der Nürnberger Südstadt 100 000 Euro übernehmen. Es sollen Risse im Glas und Korrosionsschäden in den die Metalleinfassungen behoben werden, sagt Pfarrer Peter Meyer.

Unter www.christuskirche-nuernberg.de soll eine Fundraising-Aktion Geld für die bevorstehende Renovierung bringen. Im Internet sind die drei Kirchenfensterbilder abgebildet, auf denen man ein Segment auswählen kann und im Internet die Patenschaft erklären und eine persönliche Widmung dazu schreiben kann.