2002 sprach Papst Johannes Paul II. den 1968 verstorbenen Kapuzinermönch Padre Pio heilig. Foto: dpa

Der Kapuzinermönch Padre Pio ist einer der beliebtesten Heiligen der Katholischen Kirche – und einer der umstrittensten. 2016 werden seine Gebeine im Petersdom präsentiert.

Stuttgart - „O sole mio“ ist neapolitanisch und heißt „O meine Sonne“. Tenor Luciano Pavarotti machte den Evergreen unvergessen.

„O sole mio – Padre Pio“ – „O meine Sonne – Padre Pio“. Millionen katholische Gläubige in aller Welt, vor allem Italiener, würden diesen Satz sofort unterschreiben. Für sie ist der im Jahr 2002 von Papst Johannes Paul II. heiliggesprochene Kapuzinermönch der größte Heilige aller Zeiten. Ein Superlativ, den nicht nur Kritiker des kirchlichen Heiligenkultes missbilligen, sondern auch viele dessen Anhänger.

Johannes XXIII. war ein erklärter Gegner des Mönches

Angelo Giuseppe Roncalli, der von 1958 bis 1963 als Papst Johannes XXIII. regierte und ebenfalls als Heiliger verehrt wird, war ein erklärter Gegner des seltsamen Mönches mit dem stechenden Blick und der Leidensmimik. In privaten Aufzeichnungen schrieb er 1960 von „dem enormen, teuflisch geplanten Desaster der Seelen“, das dieser anrichte. Nachfolger Paul VI. war dem Padre mehr gewogen und Johannes Paul II. war ein großer Bewunderer, was schließlich in dessen Selig- und die Heiligsprechung mündete.

Padre Pios Gebeine werden zum Aschermittwoch 2016 aus dem süditalienischen San Giovanni Rotondo in den Petersdom nach Rom gebracht. Dort soll der gläserne Sarg mit den sterblichen Überresten des Kapuziners, der von 1887 bis 1968 lebte, auf ausdrücklichen Wunsch von Papst Franziskus vom 8. bis zum 14. Februar ausgestellt werden. Das hat der Konvent der Kapuziner von San Giovanni Rotondo jetzt auf seiner Website mitgeteilt.

Der beliebteste Heilige der Italiener

Pater Pio ist in Italien der mit Abstand beliebteste Heilige. 2008 erklärten Italiens Katholiken allen Ernstes in einer Umfrage, sich in Glaubensdingen zuallererst an Padre Pio zu wenden – mit Riesenabstand vor Maria und ihrem Sohn Jesus. Er ist auch der einzige Priester, der die Wundmale Jesu – die Stigmata – getragen haben soll. Entsprechend nennt man Stigmatisation das Auftreten dieser Male am Körper eines lebenden Menschen. 13 Stigmatisierte wurden von der katholischen Kirche heiliggesprochen. Der Prominenteste ist – neben Padre Pio – der heilige Franz von Assisi.

Die Stigmata an den Händen Padre Pios seien „immer offen, frisch und blutig geblieben, sichtbar an den Händen, Füßen und der Brust“, versichern seine Anhänger. Eine Tasse Blut soll er täglich verloren haben und kein Arzt konnte ihm beistehen. Wie er den Lebenssaft ersetzte, ohne zu verbluten . . . Niemand weiß es.

Ein ganz und gar unfrommer Bluter?

Der Turiner Historiker Sergio Luzzatto veröffentlichte 2007 eine Studie über den frommen Bluter. Demnach hatte Pater Pio ab 1918 - dem Jahr seiner angeblichen Stigmatisierung - bei einem Apotheker im süditalienischen San Giovanni Rotondo große Mengen von Karbolsäure kaufte, wohl um durch Verätzung der Hände dem Wunder ein wenig nachzuhelfen. Der Apotheker wandte sich damals vertraulich an den Ortsbischof. Dieser schrieb 1920 an Papst Benedikt XV., der über den frömmelnden Mönch entsetzt war. Pius XI. wollte ihn angeblich sogar aus dem Priesteramt entfernen.

San Giovanni Rotondo ist heute eine der meistbesuchtesten Pilgerorte der Welt. Mehr als acht Millionen Besucher kommen jedes Jahr, täglich werden eine Million Euro umgesetzt. 2004 wurde hier eine gewaltige Kirche erbaut. Der Orden kann es sich leisten. Der Padre-Pio-Kult hat die Kapuziner-Kommunität schwer reich gemacht. Seit Juni 2013 ist Padre Pios Leichnam in einem gläsernen Sarg ausgestellt. Zu Lebzeiten und natürlich danach soll er Tausende von Wundern gewirkt haben, die alles in den Schatten stellen, was sonst von dem Heer der Heiligen und Seligen vollbracht wurde.

2016 werden Padre Pios Gebeine im Petersdom ausgestellt

2016 hat Papst Franziskus zum „Heiligen Jahr der Barmherzigkeit“ ausgerufen. Damit die Sache auch rund läuft, möglichst viele Pilger nach Rom kommen und der Rubel rollt, werden die Gebeinen des katholischen Super-Heiligen im Petersdom präsentiert.

Dass Padre Pio vielleicht nicht ganz so super war wie offiziell immer dargestellt, darf man vermuten. Die unappetitlichen Geschichten über den vielleicht ziemlich unheiligen Mönch sollen dem geneigten Leser an dieser Stelle aber erspart bleiben.

Nur soviel: Padre Pio soll ein bigotter Scharlatan gewesen sein, der „intime und unanständige Beziehungen“ zu Frauen gehabt haben soll, dem Mammon hinterherjagte wie kein Zweiter und nach eigener Aussage nächtens von Satan höchstpersönlich heimgesucht wurde, der ihn „in der Gestalt junger Mädchen, die nackt tanzten“ verführen wollte. Was soll man dazu noch sagen?

„O sole mio – Padre Pio.“