Tierische Freunde fürs Leben: Nachdem dieser Jack Russell dem jungen Eichhörnchen das Leben gerettet hat, weicht er nicht von seiner Seite. Foto: dpa

Wahre Freundschaft – gibt es das? Ja, aber sie ist selten und rar – und genau deshalb so kostbar und wertvoll. Das bekommt auch Papst Franziskus zu spüren. Ein Geschenk und Geheimnis.

Stuttgart - Armer Franziskus! „Noch nie hatte ich so viele angebliche Freunde wie jetzt. Jeder ist der Freund des Papstes“, sagte er kürzlich in einem Interview. Viele der vorgeblichen Freunde habe er nicht öfter als ein- oder zweimal gesehen.

„Sie machen das zu ihrem eigenen Vorteil“, klagt Franziskus. „Freundschaft unter dem Gesichtspunkt der Nützlichkeit - lass uns sehen, welchen Vorteil ich bekomme, wenn ich nah an dieser Person bin - so etwas schmerzt mich.“ Freundschaft sei „heilig“. In der Bibel heiße es, man habe ein oder zwei Freunde.

Der Papst und seine „Freunde“

Der Interviewpartner des Heiligen Vaters ist ein Landsmann von ihm, der argentinische Radiojournalist Marcelo Gallardo, mit dem Franziskus, der selbst aus Argentinien stammt, seit Jahren eine echte Freundschaft pflegt.

Das Wunderliche an der päpstlichen Aussage ist, dass sich Franziskus überhaupt wundert. Echte Freunde sind selten, wahre Freundschaften rar. Wer einen Freund errungen hat und die gegenseitige Wertschätzung und Zuneigung beide ihr Leben lang begleitet, ist das ein kostbares Gut, für das beide nicht genug danken können.

Für Aristoteles (384-322 v. Chr.), den großen griechischen Philosophen und Naturwissenschaftler, ist Freundschaft eine der ethischen Tugenden. „Vollkommene Freundschaft ist die der trefflichen Charaktere und an Trefflichkeit einander Gleichen“, schreibt er in seiner „Nikomachischen Ethik“. „Freundschaft hat Werte und Lust zum Ziel und beruht auf Wesensgleichheit.“

„Hoher Genuss im Glück“

„Wie kann ein Leben lebenswert sein, das nicht in gegenseitigem Wohlwollen von Freunden ruht?“, fragt der römische Philosoph und Redner Cicero(106-43 v. Chr.) in seiner Schrift „De Amicitia“ (Der Wert der Freundschaft). „Was kann schöner sein, als irgendjemanden zu haben, mit dem du alles besprechen kannst, wie mit dir selbst? Was wäre das für ein hoher Genuss im Glück, wenn du niemanden hättest, der sich gleichsam wie du selbst darüber freut?“

Das Schöne, Hohe und Wertvolle wird erst zu dem, was es ist, wenn man es mit einem anderen teilt und von ihm wiederum beschenkt wird – durch seine Wertschätzung, sein uneigennütziges Interesse und vorbehaltloses Vertrauen. Der Mensch ist nicht als Monade geboren, die nur um sich kreist und in solipsistischer Isolation dahinvegetiert. Er ist ein Ich, das auf ein Du bezogen ist, auf das beide zum Wir werden.

„Alles Leben ist Begegnung“

„Alles wirkliche Leben ist Begegnung“, sagt der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber (1878-1965). „ Das Du begegnet mir. Aber ich trete in die unmittelbare Beziehung zu ihm. So ist die Beziehung Erwähltwerden und Erwählen, Passion und Aktion in einem.“

Der französische Philosoph und Essayist Michel de Montaigne (1533-1592) setzt in seinem Essay „Über die Freundschaft“ seinem Busenfreund Ètiene de La Boétie ein Denkmal. Wahre Freundschaft, schreibt er, sei einmalig und äußerst rar. „In der Freundschaft herrscht eine allgemeine Wärme, die den ganzen Menschen erfüllt und die außerdem immer gleich wohlig bleibt; eine dauernde , stille, ganz süße und ganz feine Wärme, die einen nicht verbrennt und nicht verletzt.“

Freundschaft verbindet „den ganzen Menschen mit dem ganzen Menschen“, sagt der Soziologe Georg Simmel (1858-1918) in seiner Schrift „Soziologie der Freundschaft“. Im Gegensatz zur flüchtigen Bekanntschaft geht sie in die Tiefe und den Menschen „auf der ganzen Breite der Persönlichkeit“ auf. Für wahre Freundschaft ist es notwendig, sich ganz dem anderem zu offenbaren und kein „Geheimnis“ für sich zurückzubehalten. Wer so schenkt, wird noch reicher beschenkt.