Schmierereien am Portal der Stuttgarter Stiftskirche. Foto: Martin Haar/StN

Unbekannte haben das Seitenportal der Stuttgarter Stiftskirche beschmiert. Wie gehen die Kirchen damit um? Wir geben die Antwort.

Stuttgart - „Pfui Teufel! Unbekannter verrichtet sein Geschäft im Beichtstuhl.“ „Kirche wegen Gestank geschlossen.“ „Kirche verwüstet und in Weihwasserbecken uriniert.“ „Unbekannte verschandeln Pfarrkirche.“ „Hakenkreuz-Schmierereien an der Kirche.“ „Hetze an Kirchenportal geschmiert.“ Zeitungsmeldungen aus den letzten Wochen.

Es ist nicht neu, dass Gotteshäuser verunziert, vollgeschmiert und verunreinigt werden. Zuletzt hatte ein Unbekannter an der Flügeltür der Stuttgarter Stiftskirche eine üble Hetzparole gesprayt: „Deutschland, du mieses Stück Scheiße.“ Gedärm und Blase zu entleeren sind eine besonders infame und abstoßende Weise, seine Verachtung und seinen Spott zum Ausdruck zu bringen. Auch wenn nicht die Kirche als solche oder der Glaube Ziel der Attacke sind, weiß der Täter doch, dass er damit maximale Aufmerksamkeit erregt. Denn Gotteshäuser gelten als sakrosankt und unantastbar. Wer dort seine physische oder ideologische Notdurft verrichtet, begibt sich auf ein absolut unterirdisches Niveau.

Kirche sind heilige und geweihte Orte

Nach katholischem Kirchenrecht sind Kirchen „heilige Orte, die für den Gottesdienst oder das Begräbnis der Gläubigen bestimmt sind durch Weihung oder Segnung, wie sie die liturgischen Bücher dazu vorschreiben“ (Canon 1205). Wenn ein solcher geweihter Ort durch Brandschatzung, Vandalismus, mutwillige Zerstörung von Gegenständen oder Verunreinigung entweiht wird, ist es mit Aufräumarbeiten und Putzen vielfach nicht getan. Die Heiligkeit des Ortes ist beeinträchtigt, wenn sich dort „schwer verletzende, mit Ärgernis für die Gläubigen verbundene Handlungen“ ereignet haben, die der „Heiligkeit des Ortes entgegen sind“, heißt es im kirchlichen Gesetzbuch, dem „Codes Iuris Canonici“

Eine Entweihung und Schändung liegt dann vor, wenn ein geweihter Kirchenraum größtenteils zerstört worden ist. Dann ist nicht nur eine Renovierung, sondern auch eine neue Weihe nötig. Auch wenn im Gotteshaus ein Mord begangen, Unzucht getrieben wurde oder mutwillig Gegenstände wie Kerzenständer, Reliquien oder Kultbilder zerstört wurden, sieht das Kirchenrecht eine „Rekonziliation“ vor (von lateinisch „reconciliatio“ – Wiederherstellung, Versöhnung).

„Wiederheiligung“ durch einen Bußritus

Damit ist folgendes gemeint: Der Frevel muss durch eine Art „Wiederheiligung“ wettgemacht werden. Dies geschieht durch eine neue Weihe und einen Bußritus, in der das verunzierte Gebäude durch einen Gottesdienst unter Vorsitz des Bischofs quasi wieder in die Weltkirche aufgenommen wird. Das Verfahren ähnelt dem der Wiederaufnahme eines reuigen Sünders nach der Aufhebung der Exkommunikation.

Im Kirchenrecht heißt es hierzu in Canon 1211: „Heilige Orte werden geschändet durch dort geschehene, schwer verletzende, mit Ärgernis für die Gläubigen verbundene Handlungen, die nach dem Urteil des Ortsordinarius so schwer und der Heiligkeit des Ortes entgegen sind, dass es nicht mehr erlaubt ist, an ihnen Gottesdienst zu halten, bis die Schändung durch einen Bußritus nach Maßgabe der liturgischen Bücher behoben ist.“

Bei Graffiti und anderen Schmierereien an Türen oder Außenwänden reicht in der Regel ein Anstrich aus. Fäkalien-Übergriffe sind schon heikler. In schweren Fällen wie dem Diebstahl von geweihten Hostien aus dem Tabernakel und der Verwüstung des Altarraumes muss ein Bußritus her.

Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren

Strafrechtlich ist die Sachlage klar: Es handelt sich wie im Fall der Hetzparole an der Stiftskirche u. a. um Sachbeschädigung. Im Strafgesetzbuch (StGB, Paragraf 303) heißt es: „Wer rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Auch wer das „Erscheinungsbild einer fremden Sache nicht nur unerheblich und nicht nur vorübergehend verändert“ macht sich strafbar. Das gilt auch für den Versuch einer Schändung.

In solchen kirchenrelevanten Fällen greift auch der sogenannte Gotteslästerungs- oder Blasphemieparagraf (StGB, Paragraf 166). In Deutschland steht nicht nur das Verbreiten von Schriften unter Strafe, die eine Kirche oder Religionsgemeinschaft beschimpfen und geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu gefährden. Auch Aktionen wie die oben Genannten, die zwar geheim und meist unentdeckt, aber dennoch im öffentlichen Raum geschehen, werden „mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft“.

Das ist gut so. Die Schändung und Entweihung von Kirchen ist eine Freveltat, die – abgesehen von der Sachbeschädigung – die Gefühle von Gläubigen massiv verletzt und die Ehrfurcht vor dem Heiligen in den Dreck zieht. Schade nur, dass viele Übeltäter ihrer gerechten irdischen Strafe entgehen, weil sie nicht gefasst werden.