Friedliches Miteinander der Religionen: Die Spitze eines Minaretts (links) mit dem Halbmond und das Kreuz auf der Kirchturmspitze (rechts) – hier in Mannheim. Foto: dpa

In Hamburg haben Muslime eine leer stehende Kirche gekauft, die sie in eine Moschee umwandeln. Die Meinungen darüber dürften auseinandergehen.

Stuttgart - Ein christliches Gotteshaus wird zur Moschee umgewandelt. Ein Kirchturm, auf dem kein Kreuz mehr in den Himmel ragt, sondern in arabischen Buchstaben das Wort „Allah“ angebracht ist. Geschehen dieser Tage in Hamburg. Ein Zeichen der Toleranz und des Glaubens an den einen Gott? Nach all den historischen Konfrontationen und angesichts der aktuellen Konflikte zwischen Christen und Muslimen?

Brüder und Schwestern im Geiste

„Alle Menschen werden Brüder“. Erinnern sie sich noch an den Bestseller von Johannes Mario Simmel von 1967. Sechs Jahre später wurde das Buch mit Harald Leipnitz und Doris Kunstmann verfilmt. Regie führte Alfred Vohrer, bekannt aus den Edgar-Wallace- und Winnetou-Verfilmungen der 1960er Jahre. Wenn man den Romantitel in die religiöse Sprache übersetzt, müsste er lauten: Alle Menschen sind schon Brüder und Schwestern.

Natürlich nur im Geiste. Dass sich ein Katholik als Bruder eines Protestanten „in Christo“ bezeichnet, ist völlig normal. Aber ein Christ als Bruder eines Muslim? Ideell ist das keine Frage: Alle Menschen sind Kinder und Geschöpfe des einen Gottes, der sich um Taufurkunden, Glaubensbekenntnisse und Kulte wenig schert. Gott liebt alle Menschen gleich – egal welcher Religion sie angehören.

In Hamburg wird eine Kirche zur Moschee

Seit einiger Zeit baut das islamische Al-Nour Zentrum die ehemals protestantische Kapernaum-Kirche in Hamburg-Horn zur Moschee um. Das Kreuz auf dem Kirchturm hat man jetzt abmontiert und durch den 1,2 Meter breiten Schriftzug „Allah“ ersetzt. Der letzte christliche Gottesdienst wurde dort Weihnachten 2002 gefeiert. Danach stand die Kirche leer und verfiel, weil die Kirchengemeinde die Sanierungskosten von rund 1,5 Millionen Euro nicht aufbringen konnte. 2004 wurde sie entwidmet und 2012 verkauft.

Eigentlich nichts Ungewöhnliches in Deutschland, wo in ehemalige Kirchen Begegnungsstätten, Senioren-Cafés oder soziale Einrichtungen einziehen. Aber warum ausgerechnet eine Moschee? „Das ist ein sensibles Thema“, sagt der Vorsitzender des islamischen Zentrum Al-Nour. Der Imam will auf gar keinen Fall die Gefühle von christlichen Mitbürgern verletzten. Die ursprüngliche Idee, einen Halbmond auf dem 44 Meter hohen Kirchturm zu setzen, hatte man verworfen. Das Kreuz hat man einer christlichen Freikirche in Hamburg übergeben.

„Außen Kirche, innen Kirche“

Bisher haben die muslimischen Gläubigen in einer Tiefgarage im Stadtteil St. Georg gebetet. Eine denkmalgeschützte Kirche ist sicher ein würdigerer Ort für Gebete. Die Umgestaltung des Innenraums werde noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Auf jeden Fall solle der „kirchliche“ Charakter des Gebäudes erhalten bleiben, heißt es seitens des islamischen Zentrums. „Außen Kirche, innen Kirche“, lautet die Vorgabe.

Die Geschichte kennt weniger friedliche Beispiele

andere Aus der christlich-islamischen Geschichte sind andere, weniger friedliche Beispiele überliefert: So wurde die im sechsten Jahrhundert als Hauptkirche des Byzantinischen Reiches und religiöser Mittelpunkt der Orthodoxie erbaute Hagia Sophia nach der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen im Jahr 1453 deren Hauptmoschee. Umgekehrt machten christliche Eroberer im spanischen Cordoba aus der ehemaligen Hauptmoschee eine Kirche. Die Mezquita–Catedral von Córdoba ist seit dem Jahr 1236, in dem König Ferdinand III. von Kastilien Córdoba von den Mauren zurückeroberte, ein christliches Gotteshaus. Das Minarett wurde mit einem Kreuz versehen, im 17. Jahrhundert wurde es durch einen Glockenturm ersetzt.

„Da sind viele Gemeinsamkeiten, für mich ist das der gleiche Gott.“

Dass in Hamburg ein solcher Vorgang ohne Feuer und Schwert über die Bühne geht, ist historisch betrachtet ein echter Fortschritt. Nach Medienberichten hat die ehemalige Pfarrerin der Kapernaum-Kirche mit der Wandlung kein Problem. „Da sind viele Gemeinsamkeiten, für mich ist das der gleiche Gott.“ Außerdem, könnte man hinzuzufügen, ist dies ein Beispiel für Toleranz und gelebtes Miteinander von Christen und Muslimen in Deutschland. Auch wenn viele anderer Meinung sein dürften.

Was spräche dagegen, wenn Christen umgekehrt Adäquates in einem muslimischen Land täten? In Saudi-Arabien oder dem Iran? Gott hätte sicher nichts dagegen, schließlich sind alle Menschen Brüder und Schwestern und seine Kinder. Doch was ist mit den Menschen?