Symbol für die Städtepartnerschaften: die Wappen der zehn Partner als Mosaik auf der Königstraße. Foto: Martin Haar

Die Landeshauptstadt Stuttgart tut viel, damit die Werte eines vereinten Europas hier und in den Partnerstädten gelebt werden. Ziel ist es, diesen ur-europäischen Gedanken noch stärker in der Zivilgesellschaft zu verankern.

Stuttgart - Anlässlich der runden Geburtstage von drei Städtepartnerschaften Stuttgarts (Lodz/Mumbai/St. Helens) standen diese Verbindungen zuletzt immer wieder im Fokus. Und immer wieder wird dabei die Bedeutung dieser internationalen Beziehungen betont. Es geht um Frieden und Völkerverständigung, um Wertetransfer und um Themen der Bildung, Wirtschaft und des Tourismus. Allerdings stellt sich oft die Frage, wie viel davon kommt bei den Bürgern an? Erreichen die Ideale der Partnerschaften auch die Zivilgesellschaft?

Die Bürgerumfrage des Statistischen Amtes der Stadt zu diesem Thema zeigt, dass es bei der Vermittlung an die Basis noch Luft nach oben gibt. Es zeigt sich, dass 61 Prozent mindestens eine Partnerschaft bekannt war, wogegen 39 Prozent der Befragten keine der einzeln genannten Städte als Partnerstädte Stuttgarts identifizieren können. Im Schnitt kennen die Befragten zwei Partnerstädte, wobei sich die Bekanntheit der verschiedenen Partnerstädte unterscheidet. Die bekannteste Partnerstadt Stuttgarts ist mit großem Abstand Straßburg (Frankreich). Danach folgt Cardiff. Mumbai, Kairo und Lodz kennen weniger als ein Fünftel der Befragten. Zwischen 13 und 16 Prozent der Befragten können die Städte Samara, St. Louis und St. Helens als Partnerstädte einordnen. Das Schlusslicht bildet Menzel Bourguiba mit sieben Prozent.

Ein Bild, das womöglich auf andere Städte und Bürger übertragbar ist. Zumindest berichten das immer wieder Reisende. Zuletzt machte einer in Indiens Metropole Mumbai den Test. Vor dem Rathaus sprach er das Wachpersonal an, ob sie Stuttgart kennen. Das Fragezeichen in den Gesichtern wurde noch größer, als der Reisende von der Städtepartnerschaft berichtete. Kurzum: In Mumbai spielt Stuttgart keine überragende Rolle.

In Indien ist mehr Arbeit nötig

Frederic Stephan, der im Rathaus für die Städtepartnerschaften zuständig ist, wundert das nicht. „Dort herrschen ganz andere Bedingungen. Stuttgart wäre von der Größe her ein Stadtteil von Mumbai. Das ist eine ganz andere Wahrnehmung.“ Zudem weist er daraufhin, dass die Städtepartnerschaften „eine europäische Bewegung ist, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstand. Es ging nach dem Krieg vor allem um Verständigung“. Heute werde dieser Gedanke durch den Austausch bei Problemen, wie etwa Klimaschutz oder Verkehrsfragen, ergänzt. „Diesen ur-europäischen Ansatz haben Städte wie Kairo oder Mumbai eben noch nicht. Daher muss man hier anders vorgehen und den Nutzen dieser Partnerschaft betonen.“

Allerdings will Frederic Stephan die Anregung des Indien-Reisenden beim nächsten Zusammentreffen mit Verantwortlichen aus Mumbai mitnehmen. Allen anderen Reisenden, die in eine der Partnerstädte kommen und diese auf der Ebene der Zivilgesellschaft fördern wollen, empfiehlt er, sich mit Hilfe der Broschüren zu den Städten zu informieren. „In diesen Broschüren, die im Rathaus ausliegen, sind die Netzwerke und die Aktiven der Städte aufgelistet. So kann man dort direkt mit den Menschen ins Gespräch kommen“, sagt Stephan, der sich über jede einzelne Verbindung freut: „Uns ist wichtig, dass dieser Gedanke auch an der Basis ankommt.“ Daher gehe die Stadt mit Besuchern aus Partnerstädten sehr freundlich um. Man wolle diese Willkommenskultur leben. „Wir versuchen sogar, jeden einzelnen, der sich am Empfang des Rathauses meldet, persönlich zu begrüßen.“

Bei so viel Herzblut für die internationalen Beziehungen der Stadt wäre es nicht weiter verwunderlich, wenn die Bürgerbefragungen zu den zehn Partnerschaften und nach Stuttgart in anderen europäischen Städten noch bessere Werte erzielen würden. Tatsächlich ist Stuttgart für sein Engagement und den besonderen Einsatz zur Stärkung eines vereinten Europas zuletzt mit der Ehrenfahne des Europarates ausgezeichnet worden.

Kirche will auch Städtepartner

Unabhängig von den Bemühungen der Stadt hält es auch der evangelische Stadtdekan Sören Schwesig für nötig, die Idee eines gemeinsamen Europas zu stärken. Ausschlag gaben die nationalen Entwicklungen in den jeweiligen Ländern und die jüngsten Ergebnisse der Europawahl. „Das hat mich beschäftigt“, sagt der Geistliche, „also habe ich mich gefragt, welchen Beitrag kann Kirche leisten?“ Seine Antwort: „Ich fordere jede Gemeinde im Kirchenkreis auf, sich in Süd- oder Osteuropa eine Partnergemeinde zu suchen und den Austausch zu pflegen.“

Er selbst geht im Übrigen demnächst mit gutem Beispiel voran. Zusammen mit der Kirchenpflegerin reist er ins russische Samara. Dort gebe es stets gute und brüderliche Begegnungen, berichtet er mit einem Lächeln. Denn Austausch bedeutet auch, in die Kultur des Landes einzutauchen. „Das ist in Samara nicht immer ganz einfach für mich“, sagt der Theologe augenzwinkernd – „ich vertrage keinen Wodka.“