Viele gleichgeschlechtliche Paare würden sich gerne vor Gott zu ihrer Partnerschaft bekennen. Foto: Lichtgut/Verena Ecker

Auch wenn die Landeskirche die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare ablehnt, werden in Stuttgart in 13 der 66 Gemeinden längst Fakten geschaffen – und die Paare gesegnet. Prälatin Gabriele Arnold fordert: „Wir brauchen eine Öffnung, sonst beschädigen wir die Kirche.“

Stuttgart - Was in Rom gedacht und gesagt wird, bleibt oft an den Mauern des Vatikans hängen. In den Gemeinden wird in aller Regel etwas anderes, Weltoffeneres gelebt. Die Basis hat sich beispielsweise in Sachen Abendmahl für Geschiedene selbstständig gemacht. Auch in Stuttgart. Nun drohen der evangelischen Kirche katholische Verhältnisse. Sie wird derzeit von unten her reformiert. Die Basis schafft Fakten ohne die Kirchenleitung. Während sich die evangelische Landeskirche samt Bischof Frank Otfried July beim Thema Segnung gleichgeschlechtlicher Paare ziert und sich einen Maulkorb verpasst hat, bekennen sich in Stuttgart immer mehr Gemeinden dazu.

Insgesamt sind es bereits 13 der 66 Stuttgarter Gemeinden, die sich zur Initiative Regenbogen bekennen. Zuletzt kamen die Kirchengemeinden Zuffenhausen, Feuerbach und Oswald-Wolfbusch in Weilimdorf dazu. Auch sie stehen nun offiziell zur Initiative Regenbogen. Die Regenbogen-Gemeinden heißen nicht nur lesbische und schwule Gemeindeglieder willkommen, sie sind auch offen für die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare und unterstützen Pfarrerinnen und Pfarrer, die mit ihren Partnern gleichen Geschlechts im Pfarrhaus leben wollen.

„Ich freue mich, dass Feuerbach, Oswald-Wolfbusch und Zuffenhausen der Initiative Regenbogen beitreten. Ich glaube daran, dass Gott alle Menschen liebt und sie alle in der Kirche willkommen sind“, sagt der Zuffenhausener Dekan Klaus Käpplinger. Für Pfarrerin Sabine Löw aus der Oswald-Wolfbusch-Gemeinde ist das eine Selbstverständlichkeit: „Segnen wir Menschen oder Lebensentwürfe? Wenn zwei Menschen sich gemeinsam auf den Weg durch dieses Leben machen wollen, dann sollen sie gesegnet sein. Wer hat das Recht, zu beurteilen und zu urteilen?“ Jesus sei es immer um die Liebe und nicht um das Gesetz gegangen, sagt sie: „Segen hat für mich mit Liebe, mit Gnade, mit Wohlwollen zu tun. Und nichts mit Gesetz und Regeln.“

In Stuttgart will man über das Thema nicht schweigen

Immer mehr Pfarrer gehen bei diesem Thema in die Offensive. Sie kümmert es auch nicht, dass Medien-Kirchenrat Dan Peter das Thema bis zur Synode im Juni am liebsten gedeckelt hätte. Aber auch Stuttgarts Prälatin Gabriele Arnold sagt: „Ich lasse mir keinen Maulkorb verpassen.“ Stuttgarts Stadtdekan Søren Schwesig erst recht nicht. Für ihn war es der „Mut zur Normalität“, als er die Lebensgemeinschaft des schwulen CDU-Bundestagsabgeordneten Stefan Kaufmann segnete. Prompt bekam er für diesen couragierten Akt eine Dienstaufsichtsbeschwerde.

Damit soll nun Schluss sein, meint Prälatin Arnold und begrüßt den Wachstumskurs der Regenbogengemeinden: „Ich finde es sehr positiv, dass wir uns endlich allen Menschen in und außerhalb unserer Kirche öffnen. Auch homosexuellen Pfarrern, die mit ihren Partnern ins Pfarrhaus einziehen wollen.“ Die württembergische Landeskirche hinkt aus ihrer Sicht vielen anderen Landeskirchen, die bei dieser Thematik längst Fakten geschaffen haben, mit ihrer starren Haltung hinterher: „Wir müssen endlich zu einer Öffnung kommen.“ Sonst befürchtet Gabriele Arnold, „dass es zu großen Verwerfungen innerhalb der Kirche kommt. Wir beschädigen dann die Kirche.“

Wie geht es weiter in der Synode?

Die Stuttgarter Prälatin kann auch die Sorge des Bischofs vor einer Spaltung nicht nachvollziehen. In Kirchenkreisen heißt es, Bischof Frank Otfried July befürchte, dass die konservativen Kreise der Landeskirche den Rücken kehren könnten. Gabriele Arnold hält dagegen: „Gleichzeitig müssen wir auch befürchten, dass die Befürworter der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare die Kirche verlassen.“ Arnold weiß auch, dass der Stapel jener Briefe an den Bischof wachse, in dem Menschen forderten: „Herr Bischof, es muss etwas passieren.“

Dass am 24. Juni am Studientag während der Synode tatsächlich etwas Wegweisendes in Richtung Segnung gleichgeschlechtlicher Paare passieren könnte, glaubt Gabriele Arnold indes nicht: „Es wird keine Richtungsentscheidung geben“, sagt sie und tröstet sich damit, „dass an der Basis längst Fakten geschaffen werden“. Wie sagt Weilimdorfs Pfarrerin Löw so schön: „Das Leben verlangt uns manches ab, und Gottesbeziehungen verändern sich. Ich wünsche allen Paaren, die es miteinander wagen, den Segen Gottes für ihren Weg durch dieses Erdenleben. Er ist schwer genug.“