Hugo Egon Balder (oben links), Hartmut Rosa (oben rechts) und Jochen Busse im Nachtschicht-Gespräch, das dieses Mal nur im Internet gezeigt wird. Foto: Nachtschicht

Weil das Coronavirus auch vor Kirchentüren nicht haltmacht, wird der Nachtschicht-Gottesdienst von Pfarrer Rolf Vogel jetzt digital zu erleben sein.

Stuttgart - 1200 Menschen, die den Tagesschau-Moderator Ingo Zamperoni im Januar dieses Jahres im Hospitalhof erleben wollen, mehr Menschen, als die Andreaskirche in Obertürkheim fassen kann, die den Architekten Arno Lederer am 8. März sehen möchten: Der Nachtschicht-Gottesdienst von Pfarrer Ralf Vogel ist mit interessanten und immer wieder prominenten Gästen ein Publikumsmagnet. In Zeiten, in denen die Gotteshäuser immer leerer werden, ist dies ein Segen für die Kirche. Und ein Herzensding von Vogel und seinem Team.

Doch Coronaviren machen auch vor den Kirchentüren nicht halt, und so kam auch für die Kirchen der Lockdown. Zunächst durften gar keine Gottesdienste mehr gefeiert werden. Aktuell gilt: Die Abstandsregeln müssen eingehalten werden, und die Gottesdienst-Dauer von 30 Minuten darf nicht überschritten werden. „Das tue ich mit der Nachtschicht aber auf jeden Fall – sonst fange ich gar nicht erst an“, sagt Vogel. Und so war es denn auch: Die Nachtschicht vom 17. Mai zum Thema „social and live in the city“ mit den beiden Unterhaltungskünstlern Jochen Busse und Hugo Egon Balder fand nicht statt. Zumindest nicht so, wie gewohnt. Denn die Nachtschichtmacher haben sich dafür entschieden, den Gottesdienst als Film zu produzieren.

Ein Vorteil: man hat auf jeden Fall einen bequemen Sitzplatz

Die erste Internet-Nachtschicht wird am Sonntag, den 5. Juli, zur Nachtschichtzeit um 19 Uhr online gehen. „Es war uns wichtig, den Film zu einem bestimmten Termin ins Internet zu stellen – wir haben Plakate aufgehängt und Flyer gedruckt“, sagt Vogel. Damit wolle man sagen: „Wir feiern da mit Ihnen zusammen.“ Vogel selbst hat oft dem Abendgebet der Taizé-Brüder im Internet beigewohnt, das habe ihm das Gefühl gegeben, nicht alleine dazusitzen. „Zudem hat die Sache den Vorteil, dass man sich ein Glas Wein dazu genehmigen kann – und dass man auf jeden Fall einen bequemen Sitzplatz hat“, sagt Vogel und lacht. Auch über den 5. Juli hinaus ist der Film im Netz abrufbar.

Das Thema soziales Leben ist aktueller denn je

Das Thema des Films ist, so Vogel, durch die Corona-Krise aktueller denn je. Derzeit zeige sich, wie zentral das soziale Leben sei. „Die Menschen spüren, wie wichtig eine gute Nachbarschaft oder Kirchengemeinden sind.“ Gleichzeitig aber scheint der soziale Friede in Deutschland immer brüchiger zu werden. Jochen Busse und Hugo Egon Balder erzählen in dieser Nachtschicht von der Freude am gesellschaftlichen und persönlichen Zusammenspiel – und darüber, was die Corona-Krise für Auswirkungen auf den Kulturbereich hat. Um das Thema vertiefen zu können, kommt auch der Soziologe Hartmut Rosa zu Wort.

„Wir wollen einen Hybrid schaffen, sozusagen das eine tun und das andere nicht lassen“

Für Vogel und sein Team ist es ein ungewohntes Arbeiten. „Mir fehlt am meisten die Resonanz, ich vermisse es, in strahlende Augen zu blicke“, sagt er. Von Herbst an möchte er dies gerne wieder tun können, wenngleich es ein paar Augen weniger sein werden.

Denn das Format der Nachtschicht muss – coronabedingt – geändert werden, sagt Pfarrer Vogel: „Wir müssen sehr viel neu überlegen.“ Wie genau die Nachtschicht in Zukunft aussehen wird, weiß er noch nicht. Internetübertragungen soll es weiterhin geben. „Ich muss täglich mit Änderungen umgehen“, sagt Vogel. Er sieht aber auch Chancen in der Krise: „Im nicht gefüllten Kirchenraum entstehen auch Lücken – da kann auch was Neues daraus entstehen.“

Der Film ist ab dem 5. Juli um 19 Uhr über www.nachtschicht-online.de abrufbar.