Beliebtes Fotomotiv zu jeder Tageszeit: Die Johanneskirche am Feuersee in Stuttgart-West. Foto: Shutterstock/tichr

Egal ob im Sommer oder Winter – ein Stadtspaziergang macht zu jeder Jahreszeit Freude und man lernt seine Heimat besser kennen. Dass es sich lohnt, dabei die Kirchen in Stuttgart zu entdecken, zeigt unsere Auswahl.

Was sind schon der Mailänder Dom oder das Straßburger Münster, wenn direkt vor der Haustür im eigenen Stadtteil Kirchtürme in den Himmel ragen oder sich Sakralbauten mitten in der City meterlang erstrecken? Stuttgart hat wunderschöne Kirchen zu bieten. So viele, dass eine Auswahl schwerfällt. Wir haben es dennoch gewagt und eine persönliche getroffen. Die Liste darf aber bei der Eigenrecherche gerne erweitert werden.

Johanneskirche am Feuersee; Stuttgart-West

Manche nennen sie „Notre‐Dame von Stuttgart“. Fest steht: Die Johanneskirche am Feuersee ist eines der Architekturhighlights im Stuttgarter Westen. Der beeindruckende neugotische Bau wurde 1865 bis 1876 vom Architekten Christian Friedrich von Leins entworfen und war Stuttgarts erster Kirchenneubau nach der Reformation.

Der ursprünglich 66 Meter hohe Turm und der Kirchenraum wurden durch Bombenangriffe in den Jahren 1943 und 1944 schwer zerstört. Beim Wiederaufbau konnten das Gewölbe im Kirchenschiff und die Turmspitze zunächst aus finanziellen Gründen nicht wieder errichtet werden. Heute macht gerade die fehlende Spitze die Johanneskirche zu etwas ganz Besonderem. Viele sehen das Unvollendete als ein Mahnmal gegen den Krieg. Etwa ähnlich wie bei der Gedächtniskirche in Berlin.

Die Kirche ohne Spitze liegt idyllisch auf einer künstlich geschaffenen Halbinsel im Feuersee und am Beginn der einstigen Prachtallee Johannesstraße. Wer sich auf der Uferpromenade niederlässt, hat einen schönen Blick auf den sakralen Bau. Mit etwas Glück zeigen sich sogar die exotischen Bewohner des Feuersees: Die Wasserschildkröten, die sich bei warmen Temperaturen gerne auf Gehölzen und im Uferbereich sonnen.

Adresse: Gutenbergstraße 11, 70176 Stuttgart

Martinskirche, Stuttgart-Möhringen

Der Stuttgarter Architekt und Baumeister Christian Friedrich von Leins (1814 bis 1892), aus dessen kreativer Feder auch die Johanneskirche im Stuttgarter Westen, der Königsbau und die Villa Berg stammen, erbaute auch die neugotische Martinskirche in Stuttgart-Möhringen, mit beeindruckend hohen Emporen und Gewölben.

Der „Filderdom“, wie er von manchen liebevoll genannt wird, ist ein imposantes Gotteshaus, das weit über die Dächer Möhringens hinausragt und vor allem zu früheren Zeiten als Orientierungspunkt diente.

Die trutzigen Mauern der Martinskirche sind Zeugnis einer bewegten Geschichte, die bis ins 12. Jahrhundert reicht. Ursprünglich als kleine Dorfkirche errichtet, wurde die Martinskirche im Laufe der Jahrhunderte mehrfach umgebaut und erweitert. Im Jahr 1935 musste das stolze Gebäude generalüberholt werden, um in der Bombennacht vom 15. März auf den 16. März 1944 dem Erdboden gleich gemacht zu werden. Wie sehr den Möhringern ihr Filderdom am Herzen lag, zeigt die Eigeninitiative durch die die wiedererbaute Martinskirche 1949 geweiht werden konnte

Adresse: Oberdorfplatz 14, 70567 Stuttgart

Veitskapelle, Stuttgart-Mühlhausen

Die evangelische Veitskapelle in Stuttgart-Mühlhausen ist eines der bedeutendsten Kleinode gotischer Baukunst in der Region Stuttgart. Benannt ist die Kirche nach dem Nationalheiligen Böhmens, dem heiligen Veit (291 bis 303), der trotz Folter seinem Glauben treu blieb. Gebaut wurde die Kirche ab 1380 von Meistern der Prager Dombauhütte.

Freskenmaler haben das Kirchlein mit biblischen Themen und Szenen aus dem Leben des Veits ausgemalt. So konnten die Mühlhausener Gemeinde die biblische Geschichte nachvollziehen – ohne die lateinischen Messen zu verstehen.

Der ursprüngliche Hochaltar der Veitskapelle steht in der Staatsgalerie. An seiner Stelle findet sich ein um 1510 geschaffener Flügelaltar, die Hauptfigur ist der heilige Veit. Wer den Kopf in den Nacken legt, erkennt unter den Baldachinen die Schnitzaltäre: Figuren, die Petrus, Paulus und Johannes sowie die Märtyrerinnen Dorothea, Katharina, Walpurga, Barbara und Agathe darstellen.

Adresse: Veitskapelle, Meierberg 16, 70378 Stuttgart

Schlosskirche, Stuttgart-Mitte

Ein Marmorboden in schwarz und weiß, auf dem Absätze klackern von Bräuten, wenn sie zum Altar schreiten. Die Evangelische Schlosskirche im Alten Schloss ist wie gemacht für den ganz großen Auftritt. Oder für den von ganz kleinen Hauptakteuren. Bei Taufen etwa bietet die Schlosskirche mit ihren holzvertäfelten Wänden, all der Schnitzkunst und den filigranen Säulen einen wunderbar festlichen Rahmen.

1558 bis 1562 als erster protestantischer Kirchenneubau in Württemberg errichtet und 1865 im Stil der englischen Spätgotik komplett neugestaltet, ist sie mit bedeutenden Kunstwerken ausgestattet – etwa den zwölf Relieftafeln von Sem Schlör (um 1530 bis 1598) und dem lange verschollenen, erst 2014 wieder aufgestellten Taufstein.

Wie bedauerlich, dass die Schlosskirche bis zirka Ende 2025 für die Renovierung und den Einbau der neuen Orgel geschlossen bleibt. Doch danach wird ein Besuch dank der wunderbaren Akustik ein noch größeres Erlebnis sein.

Adresse: Altes Schloss, Schillerpl. 6, 70173 Stuttgart

St. Leonhardskirche, Stuttgart-Mitte

Am Rande des Stuttgarter Rotlichtviertels in Stuttgart-Mitte steht die St. Leonhardskirche. Zum Einzugsgebiet der Evangelischen Leonhardskirchengemeinde, die seit 2016 die Vielfalt des Regenbogens lebt, gehören das Bohnenviertel, das Leonhardsviertel und das Gerberviertel. Hier pulsiert das urbane Leben und im Sommer finden traditionelle und beliebte Straßenfeste statt. Manch einer wird vielleicht nach durchwachter Nacht auf den knarzigen Kirchenbänken aus Holz Platz genommen und innegehalten haben. Das geht gut in diesen schlichten Mauern ohne Schnickschnack und Prunk stattdessen eine holzvertäfelte Decke und moderne Glasleuchten, die auch einer Szene-Bar gut stehen würden.

Die zweitälteste Kirche in Stuttgart entstand aus einer Kapelle, die 1339 dem Nothelfer für Pferde, St. Leonhard, geweiht war. Die gotische Hallenkirche am Leonhardsplatz wurde 1463 bis 1466 durch Aberlin Jörg erbaut, der auch Baumeister des Langhauses der Stiftskirche und der Hospitalkirche war. Die Kirche war bis 1806 eine Predigtkirche – Trauungen oder Taufen wurden nicht gefeiert.

Berühmte Stuttgarter haben sich hier beisetzen lassen, an erster Stelle Johannes Reuchlin, Humanist und Rechtsberater der württembergischen Herzöge (1455-1522). Sein in drei Sprachen gemeißelter Grabstein ist im Chor zu sehen.

Adresse: Leonhardsplatz 26, 70182 Stuttgart

Evangelische Markuskirche, Stuttgart-Süd

Die Markuskirche trägt die Handschrift des renommierten Architekten Heinrich Dolmetsch, der sie im neogotischen Stil errichten ließ. Ihr beeindruckender, 68 Meter hoher Kirchturm, ist ein weithin sichtbares Wahrzeichen im Stuttgarter Süden. Die Markuskirche liegt dort, wo Heusteig- und Lehenviertel aufeinandertreffen. Mittelpunkt ist sie für die Markusgemeinde, aber auch für viele Menschen, die zwar nicht zur Gemeinde gehören, aber gerne hier sind, wenn die Kirche nachmittags geöffnet ist, wenn Feste gefeiert werden, wenn es Konzerte oder Vorträge gibt. Altarraum und Orgel sind pompös und beeindruckend. Genau wie der geflügelte Markuslöwe, den man mit blinzelnden Augen erblickt, wenn man aus dem dunklen Kirchenraum ins Sonnenlicht hinaus tritt.

Im Mittelpunkt weltweit stand die Markuskirche im Oktober 1945, als kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs auf Grund einer Predigt des Theologen und späteren Friedensaktivisten Martin Niemöller das Stuttgarter Schuldbekenntnis formuliert wurde. Eine Bronzetafel mit dem vollständigen Text ist in der Kirche angebracht.

Adresse: Evangelische Kirchengemeinde, Markus-Haigst, Römerstraße 41, 70180 Stuttgart

Stiftskirche, Stuttgart-Mitte

Wann der Grundstein der Stiftskirche gelegt wurde, ist leider nicht überliefert. Es muss irgendwann im 10. oder 11. Jahrhundert gewesen sein. Damals war sie noch eine einfache Dorfkirche, erst 1240 wandelte sie sich zur herrschaftlichen Kirche mit drei Schiffen. Über die Jahrhunderte hinweg wurde die Stiftskirche immer wieder um‐ und ausgebaut, was sich in ihrer Architektur widerspiegelt. Wer sich auskennt, kann in und an der Stiftskirche die verschiedensten Stilepochen entdecken.

Die unterschiedlichen Türme sind besonders auffällig und bis heute ihr unverwechselbares Erkennungszeichen. Dem viereckigen Südturm mit Spitzdach steht der achteckige Westturm mit flachem Dach gegenüber. Ursprünglich war auch für den Westturm ein spitzer Turmhelm geplant. Doch die Reformation brachte die Arbeiten ins Stocken und durchkreuzte die Baupläne.

Unbedingt vormerken: Eine der ältesten Traditionen Stuttgarts steht in Verbindung mit der Stiftskirche: Seit über 400 Jahren erklingen vom Westturm alte Kirchenlieder. Die „Turmbläser“ gibt es seit 1618. Schon damals erfreute ein Blechbläser‐Quartett Passanten und Marktbesucher fünf Mal pro Woche mit ihrer Musik. Heute treten die Turmbläser noch zwei Mal wöchentlich auf: dienstags und donnerstags um 8.45 Uhr.

Adresse: Stiftstraße 12, 70173 Stuttgart

Alt-Katholische Kirche St. Katharina, Stuttgart-Mitte

Nahe der Stuttgarter Innenstadt, inmitten der Wohnhochhäuser rund um die Olga- und Alexanderstraße wirkt die Katharinenkirche wie aus der Zeit gefallen. Benannt wurde sie nach ihrer Stifterin, der englischen Reederstocher Catherine Masson.

Doch der Reihe nach. Bereits im 19. Jahrhundert hat sich eine englische Kolonie in Stuttgart gebildet. Diese ist durch die verwandtschaftliche Verbundenheit der Königshäuser Englands und Württembergs entstanden. Regen Zulauf hat die Kolonie ab Mitte der 1850er Jahre zudem durch die Gäste der Mineralbäder in Bad Cannstatt erhalten, welche damals aus der ganzen Welt kamen, um in Cannstatt ihre Zipperlein zu kurieren.

So auch Catherine Masson. Da zu dieser Zeit wohl englischsprachige Gottesdienste abgehalten wurden, aber kein Gotteshaus der anglikanischen Kirche in Stuttgart vorhanden war, hat die junge Dame noch vor ihrem Tod am 20. Oktober 1860 verfügt, dass in Stuttgart eine Kirche errichtet werden möge, welche ihren Namen tragen solle.

Damit war der Grundstein gelegt für Stuttgarts erste anglikanische Kirche. Aus dieser Entstehungsgeschichte heraus, ist das als „Saint Catherine's Church“ errichtete Gotteshaus bis heute vielen als „Englische Kirche“ bekannt.

Die ansonsten schlichte Schöne direkt an der Lorenzstaffel hat ein augenfälliges Markenzeichen: Eine mächtige Fensterrose über dem Eingangsportal und verschiedene Blattwerkskulpturen über den Fenstern.

Adresse: Katharinenplatz 5, 70182 Stuttgart

St. Maria Kirche, Stuttgart-Mitte

Hektisches Treiben an der Tübinger Straße, gleißendes Licht, Straßenlärm, dann fällt die dicke Tür ins Schloss. Plötzlich Stille, Kühle und angenehmes Halbdunkel. Die Kirche St. Maria ist wahrhaft ein Ort der Einkehr im Großstadttrubel. Am 12. November 1879 wurde sie nach achtjähriger Bauzeit in Anwesenheit von König Karl durch den damaligen Bischof Dr. Carl Joseph von Hefele geweiht. Sie ist damit die erste katholische Kirche Stuttgarts nach der Reformation, denn die Eberhardskirche – die ursprüngliche evangelische Hofkirche – stand zunächst auf der Solitude und wurde in der Königstraße wieder aufgebaut und im Jahre 1811 geweiht.

Nachdem die Zahl der Katholiken von 140 (im Jahr 1807) auf über 14.000 (im Jahr 1880) gestiegen war, wurde die im neugotischen Stil erbaute Marienkirche Heimat für viele, die seitdem aus den verschiedensten Gründen nach Stuttgart zogen. Die dreischiffige Hallenkirche mit Querhaus und drei Chören ist 54 m lang und 33 m breit. Die Frontseite wird von zwei mächtigen Türmen flankiert, die nahezu 60 Meter in den Stuttgarter Himmel ragen. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Kirche zerstört, das Gewölbe stürzte ein, nur die Türme blieben stehen.

Unter großen Opfern wurde die Kirche nach dem Krieg wieder aufgebaut, das Gewölbe durch eine Holzdecke ersetzt. Weihnachten 1949 wurde erstmals wieder in der Kirche Gottesdienst gefeiert.

Adresse: Tübinger Straße 36, 70178 Stuttgart

Erlöserkirche, Stuttgart-Nord

Schon ein pittoreskes Bild, dieses mächtige Gebäude direkt am kleinen Wengert, der sich daneben duckt. Was der Erlöserkirche dereinst den Namen „Kirche im Weinberg" eingebracht hat. 1908 wurde sie eingeweiht, 1944 in großen Teilen zerstört, 1954 erneut eingeweiht.

Die 100-jährige Linde auf dem Kirchplatz und das im Hang liegende Pfarrhaus gehören zum Ensemble, das der Architekt Theodor Fischer geschaffen hat. Der Kirchplatz war schon damals als Treffpunkt und Ruhepunkt gedacht. Dort steht heute an der Stelle des früheren Brunnenhäusles die Skulptur „Der Barmherzige Samariter“ von Ulrich Henn.

Betritt man den klobigen Backsteinbau, kann man an einem der Eingangspfeiler – wie zum Gruß beim Hineingehen und dann beim Hinausgehen zum Geleit – die christlichen Tugenden „Glaube, Hoffnung, Liebe“ entdecken.

Adresse: Birkenwaldstraße 24, 70191 Stuttgart

Auf den Geschmack gekommen? Dann viel Freude beim Stadtspaziergang und Besuchen der Kirchen, die abseits der Gottesdienste wunderbare Orte der Stille sein können.