Im dritten Anlauf will Stuttgart Ökologisch Sozial (SÖS) im Stadtparlament eine eigene Fraktion stellen. Dazu brauchen die bisher drei Stadträte unter Führung von Hannes Rockenbauch mindestens einen weiteren Mitstreiter. Helfen soll das Thema Stuttgart 21.

Im dritten Anlauf will Stuttgart Ökologisch Sozial (SÖS) im Stadtparlament eine eigene Fraktion stellen. Dazu brauchen die bisher drei Stadträte unter Führung von Hannes Rockenbauch mindestens einen weiteren Mitstreiter. Helfen soll das Thema Stuttgart 21.

Stuttgart - Es ist noch kühl an diesem Donnerstagmorgen. Wer bei Cigarren-Mezger an der Ecke Haupt- und Robert-Leicht-Straße in Vaihingen in den Laden drängt, hat den Kragen hochgeschlagen oder hält die Jacke zusammen. Auch Annette Ohme-Reinicke, die auf Listenplatz acht gesetzte Kandidatin von Stuttgart Ökologisch Sozial (SÖS), muss erst mal warm werden.

„Haben sie den Eindruck, dass der Konsum von Tabak zurückgeht?“, fragt die Nichtraucherin Ohme-Reinicke ein wenig hölzern Inhaberin Sylvia Paetzold. Raucher drehten selbst oder griffen verstärkt zur Elektro-Zigarette, klärt Paetzold auf, und zeigt im Regal Fläschchen mit diversen Geschmacksrichtungen. Seit 1932 ist Cigarren-Mezger in Vaihingen ein Begriff. Sylvia Paetzold führt den Laden mit ihren Mann Detlev in der dritten Generation. „Mit der E-Zigarette darf man auch wieder zuhause rauchen. Sie stinkt nicht“, lacht Paetzold.

E-Zigarette? War der promovierten Dozentin Ohm-Reinicke, die an der Uni Stuttgart Lehramtsstudenten für wissenschafts- und berufsethische Probleme sensibilisiert, bisher kein Begriff. „Da habe ich was gelernt, aber wie kriege ich jetzt die Brücke zur Kommunalwahl?“. Der Tabak werde immer teurer, in Vaihingen sorgten sich die Einwohner um die Schwaben-Galerie und die Nahversorgung, nennt Paetzold Themen, die sozusagen auf der Straße liegen.

Die 52-Jährige Ohme-Reinicke, die in Möhringen wohnt und ihren ersten Wahlkampf führt, triebt vor allem ein Thema um: Der Tiefbahnhof. In einem Buch („Das große Unbehagen“) hat sie 2011 die Protestbewegung zu Stuttgart 21 analysiert. SÖS setzt weiter auf dieses Thema. Kandidatin Nummer acht auch.

„Ich bin gut informiert, ich weiß, wen ich wähle!“, sagt Thomas Fiedler selbstbewusst. Zur Broschüre, die ihm die Kandidatin entgegenstreckt, greift der 55-Jährige dennoch. Fiedler ist der erste, der sich zu Ohme-Reinicke gesellt. Käufer sind zuvor an ihr vorbeigehastet. „Ich habe schon gewählt“, bekam sie zweimal zu hören. Jetzt hat jemand Zeit. Und viel zu sagen.

Fiedler räsoniert über Armut und Wohnungsnot, kanzelt Berliner Spitzengenossen mit nicht zitierbaren Einschätzungen ab, und warnt vor „rechtspopulistische Rattenfängern“. Er könne aber nur eine „populistische Partei wählen“, sagt er. „Wir sind keine Partei“, stellt die Kandidatin das Personenbündnis SÖS vor. „Wir bringen Leute zusammen, die sich für ihre Stadt interessieren und den Alltag gestalten wollen“. „Gut“, nickt Fielder knapp, und legt bei der Sprechgeschwindigkeit einen Zahn zu. Ohme-Reinicke kommt kaum mehr zu Wort. Sie wolle niemanden aus dem Parlament jagen, versucht sie Fiedler zu bremsen. Viele bei SÖS seien wegen Stuttgart 21 aktiv geworden.

An die Protestbewegung würde Fiedler offenbar keine Orden vergeben. „Das sind Alibi-Weltverbesserer, die sich 50 Jahre nicht interessiert haben“, schließt er seinen Politik-Exkurs abrupt ab und wendet er sich zum Lotto-Tisch: „Ich werde beweisen, dass Geld nicht den Charakter verdirbt.“

Ohme-Reinicke muss erst mal Luft holen. Auf der Montagsdemo gegen S 21 hat sie schon gesprochen. Nun erfährt sie, dass der Einsatz an der kommunalpolitischen Basis auch Nehmerqualitäten verlangt.

Sascha Wahl, Hohenheimer BWL-Student, zeigt sich für die SÖS-Ideen aufgeschlossen. Mehr Nachhaltigkeit in der Wirtschaft sie wichtig, der Ausbau erneuerbare Energien ebenso. Einen Rentner stören Verkehrsprobleme am Wallgraben und hohe Mieten. „Die Stadt könnte Häuser kaufen und sie billig vermieten“, schlägt Ohme-Reinicke vor. Ins Detail will der Mann aber nicht gehen.

Als die Kandidatin wieder zum Generalthema Stuttgart 21 wechselt, erntet sie den zweiten Widerspruch an diesem Morgen. Ihre Kritik an er Volksabstimmung und den Grünen kommt bei Kundin Ursula Müller nicht gut an. „Die CDU ist bestraft worden, die Leute haben bei der Volksabstimmung gewusst, um was es geht“, sagt sie. Und OB Fritz Kuhn traue sie zu, dass er „eine Chance gegen Stuttgart 21 nicht verschläft“.

Ohne-Reinicke rückt die Leistung der Grünen in kein gutes Licht. Kretschmann, sagt sie, habe versprochen, S 21 zu verhindern. Nun drücke er sich. Der Angriff kommt bei Müller gar nicht gut an. „Er musste Zugeständnisse machen“, verteidigt sie den Regierungschef. Sie sei dankbar für Ketschmann, der anders als Mappus Offenheit und Werte verkörpere. Weitere Kritik will sie nicht hören. Beim Thema Stuttgart 21 bleibt der Tag für Ohme-Reinicke frostig.