In „Ready Player One“ begegnen wir in einer virtuellen Welt vertrauten Motiven – etwa düsteren Kraftprotzen, die aus Marvel-Comics stammen könnten. Foto: Warner

Eine ganze Weile schon dreht Steven Spielberg seriöse Filme nahe an unserer Wirklichkeit. Aber mit dem Kinoneustart „Ready Player One“ kehrt er zurück zur Science Fiction. In einer düsteren Zukunft fliehen die Menschen vor unlösbaren Problemen in eine Spielewelt. Kann Spielberg mit solch einem Thema noch umgehen?

Stuttgart - Gerade erst hat Steven Spielberg mit „Die Verlegerin“ einen Journalisten-Thriller in die Kinos gebracht. Wer in dem konventionellen Genrefilm schon ein Alterswerk des 71-jährigen Popcorn-Movie-Pioniers sah, wird von Spielbergs allerneuestem Werk eines Besseren belehrt. „Ready Player One“ führt zurück in die Zukunft und die Welt der Science-Fiction, in der sich Spielberg zuletzt in Filmen wie „A.I. – Artificial Intelligence“ (2001), „Minority Report“ (2002) und „War of the Worlds“ (2005) aufgehalten hatte.

Als Vorlage diente der gleichnamige Roman von Ernest Cline, der unter Gamern Kultstatus genießt und in die dystopische Welt des Jahres 2045 entführt. Die Menschheit der Zukunft hat hier aufgehört, die Probleme der Welt lösen zu wollen, und sich mit Umweltverschmutzung, Überbevölkerung und grassierender Armut abgefunden. In Columbus, Ohio, stapeln sich die Wohnwagen der Gettobewohner auf riesigen Stahlgerüsten in den Himmel hinein.

Bloß raus aus der Realität

In dieser Welt gibt es weder Hoffnung noch Lebensziele, und so streifen die Menschen die VR-Brille über, um sich in die virtuelle Realität zu flüchten. „Oasis“ nennt sich das gigantische Digitaluniversum, in das sich jeder einloggen kann, um das zu sein und das zu tun, was ihm im wirklichen Leben verwehrt bleibt. Es ist ein gesamtgesellschaftlicher Sieg des Eskapismus, der sich hier mit geballter medialer Verführungskraft entfaltet.

Für den jugendlichen Waisenjungen Wade Watts (Tye Sheridan) hat das Leben in der echten Welt nichts zu bieten, aber in „Oasis“ hat er sich eine eigene, neue Identität aufgebaut. Hier heißt er Parzival und trifft seinen besten Kumpel Aech, der über beträchtliche körperliche Kräfte und eine riesige Hightech-Werkstatt verfügt, sowie die coole Motorradfahrerin mit dem Kunstnamen Ar3mis.

Vorbei an King Kong

Jeden Tag nehmen die drei Cyber-Gefährten an einem rasanten Rennen teil, bei dem niemand an den Dinosauriern, King Kongs und anderen mörderischen Hindernissen vorbei zum Ziel zu gelangen scheint. Dort wartet als Belohnung einer der drei Schlüssel, die der kürzlich verstorbene Erschaffer von „Oasis“, James Halliday (Mark Rylance), in seinem Reich versteckt hat. Die wiederum führen zu einem „Easter Egg“, das dem Gewinner die kompletten Rechte an „Oasis“ überträgt und ihn damit zum Multimilliardär macht.

Neben den Einzelkämpfern ist auch das Unternehmen IOI hinter der Macht über das Spieluniversum her und wirft eine ganze Armee von Gamern ins Rennen. Aber um Hallidays Rätsel zu lösen, muss man nicht nur mit der Biografie des Schöpfers vertraut sein, sondern auch über profunde Kenntnisse der Popkultur verfügen. Hiermit öffnet Spielberg die Tür zu einem wilden Dschungel cineastischer und musikalischer Referenzen, deren Höhepunkt ein Ausflug in die Welt von Stanley Kubricks „Shining“ ist. Dort müssen sich die Spieler im Gruselhotel neuen und alten Herausforderungen stellen.

Nostalgietrip in die Wunderwelt

Randvoll hat Spielberg die fantastische „Oasis“-Welt mit popkulturellen Verweisen aus den 70er und 80er Jahren gefüllt. Und er schreckt dabei auch vor Selbstzitaten nicht zurück. Der Nostalgietrip wird in eine digitale Wunderwelt mit State-of-Art-Effekten verlegt, was dem filmischen Gesamtkunstwerk eine interessante Grundspannung verleiht, was aber gleichzeitig auch generationsübergreifend nach einem sehr breiten Zielpublikum greift.

Den Höhepunkt bildet natürlich die Rebellion der Gamer, die sich gegen die feindliche Übernahme ihrer Spielwelt durch habgierige Konzerne zur Wehr setzen – und am Ende den Wert der greifbaren Realität wieder zu schätzen lernen. Auch wenn Spielbergs Verfilmung im Vergleich zur Buchvorlage den gesellschaftskritischen Kontext etwas heruntergefahren hat und auch wenn „Real Player One“ nicht die Komplexität vergleichbarer Kinowerke wie etwa Christopher Nolans „Inception“ erreicht, entwickelt die Angelegenheit als kreatives Dauerfeuerwerk auf der Leinwand dennoch eine ungeheuer unterhaltsame Wirkung.

Ready Player One. USA 2018. Regie: Steven Spielberg. Mit Tye Sheridan, Olivia Cooke, Mark Rylance, Simon Pegg, Ben Mendelsohn. 140 Minuten. Ab 12 Jahren.