Ferdinand kommt mit Mensch und Tier gut klar – und liebt den Duft von Blumen. Foto: 20th Century Fox

Der größte Bulle des Landes ist ein zartes Seelchen. Aber dem Titelhelden des Animationsfilms „Ferdinand“ droht trotzdem höchste Gefahr in einer Welt der Stierkämpfer. Die „Ice Age“-Macher mischen hier Komik und Bedrohliches.

Stuttgart - Wie blöde kann ein Rindvieh eigentlich sein? Diese Frage stellt sich ziemlich früh im Animationsfilm „Ferdinand – Geht stierisch ab!“ aus dem Blue Sky Studio („Ice Age“,„Die Peanuts“). Da hüpfen nämlich ein paar künftige Stiere durch den Hof einer spanischen Zuchtfarm und hegen Träume von Ruhm und Ehre in ihren Kälberschädeln, die sie mit Wucht aneinanderrammen: Fast jeder will der Größte, Kräftigste, Wütendste werden, um für den Arenakampf in Madrid auserwählt zu werden. Es sind die Träume ihrer Väter, die noch viel derber und fantastischer einander beiseite drängen, einander herunterputzen, die aggressiver die Hörner gegen die Welt recken: Jeder glaubt an seine Chance, in der Arena den Torero besiegen zu können und als umjubelter Champion weiterleben zu dürfen.

Düsterer Ernst, lichter Humor

Vielleicht ahnen ein paar kleinere Kinder noch nicht, wie verrückt und weltfremd solche Visionen sind. Aber viele junge Zuschauer dieser auf den ersten Blick niedlichen und putzigen Animationskomödie wissen oder vermuten schon, dass der Stier in diesem ritualisierten Abschlachten, in diesem Schauspiel eitler Grausamkeit nie gewinnen kann, dass er so oder so in der Arena sterben wird. Dieser dunkle Abgrund unter den hellen Bildern gibt „Ferdinand“ seine besondere Qualität. Aber er sorgt auch dafür, dass man gut überlegen sollte, welches Kind diese Spannung zwischen düsterem Ernst und lichtem Humor schon aushalten kann und welches nicht.

Ferdinand, der Titelheld, ist zunächst genau so ahnungslos wie die anderen Kälber. Dass er nicht raufen will, ist eine Frage purer Gemütsdisposition: Er ist ein sanftes Seelchen, er riecht lieber an Blumen, als Kraftproben zu absolvieren, er genießt lieber die Schönheiten des aktuellen Tages, als über künftigen blutigen Ruhm zu sinnieren. Einer wie er lebt noch gefährlicher als die anderen. Wer nicht kampftauglich ist, kommt ins Schlachthaus, und die Verschlussklappe des Anhängers, in dem so ein Unglücklicher, dem beispielsweise ein Horn abgebrochen ist, abtransportiert wird, ist bemalt: mit einer Stiersilhouette, auf der wie in der Metzgersschule die diversen heraushackbaren und servierbaren Fleischpartien gruselig klar verzeichnet sind.

Kuscheln wie ein Kätzchen

Ferdinand schafft es heraus aus dieser Sphäre aussichtsloser Selbstverblendung, er entkommt dem sicheren Tod. Aber diese Wendung steht nicht am Schluss, sie kommt früh. Und so ist sein Heranwachsen zu einem brachialen Muskelkoloss mit Flaumfederseele in der Obhut eines kleinen Mädchens auf einer idyllischen Farm nur ein Zwischenspiel. Hier darf er kuscheln wie ein Hauskätzchen, darf sogar mit im Bett schlafen. Besser gesagt, hier darf er sich um Bett und Mädchen legen wie der Berg um eine in die Hangfalte gequetschte Hütte. Auch hier könnte Kindern klar werden: Dies ist wohl nur ein brüchiger Friede.