Jeanettes Familie trudelt durch die USA: Szene aus „Schloss aus Glas“ Foto: Verleih

Die Verfilmung des autobiografischen Romans von Jeanette Walls erzählt von einer herben, abenteuerlichen Kindheit zwischen familiärem Elend und familiärer Loyalität.

Stuttgart - Jeanette ist vier oder fünf, als sie kochen lernt. Auf einem Stuhl kippelt sie am Gasherd, ganz allein steckt sie das Streichholz an. Als sich Jeanette (Chandler Head) zum Regal über dem Herd reckt, fängt ihr Kleid Feuer. Bald brennt das Kind, es hätte sterben können, hätte nicht Jeanettes Mutter Rose Mary (Naomi Watts) ihre Staffelei verlassen, um den Brand zu ersticken.

Im Buch „Schloss aus Glas“ hat die Schriftstellerin Jeanette Walls ihre herbe, abenteuerliche Kindheit verarbeitet; mit exaltierten Eltern, die ihre Kinder zwar liebten, oft jedoch vernachlässigten und misshandelten. Destin Daniel Crettons Verfilmung des Bestsellers stellt die Traumata explizit dar, gleichzeitig schildert sie die fast krankhaft liebevolle Verbindung zwischen Jeanette, ihren Geschwistern und den streckenweise hassenswerten Eltern.

Die Eltern denken vor allem an sich selbst

Woody Harrelson brilliert als Patriarch Rex, ein stolzer Mann, der herrliche Märchen auftischt und sich äußeren Zwängen verweigert. Für die Kinder bedeutet das, dass der Vater, ein Ingenieur ohne Job, mit der Familie quer durch die USA trudelt. Die Quartiere sind malerisch baufällig, es mangelt am Nötigsten. Die Mutter, von Naomi Watts mit Verve gespielt, stellt ihre Ambitionen als Malerin über das Wohl ihrer Kinder.

Die Bilder aus der Kindheit verschränkt Cretton kunstvoll mit Szenen aus dem Leben der inzwischen erwachsenen Jeanette (Brie Larson). Sie hat sich als Journalistin ein Leben abseits der Familie aufgebaut und ist dennoch zerrissen von den Gewalt- und Elendserfahrungen einerseits und dem Erleben familiärer Loyalität andererseits. Ein wütend trauriges Familienporträt.

Schloss aus Glas. USA 2107. Regie: Destin Daniel Cretton. Mit Naomi Watts, Woody Harrelson, Brie Larson, Max Greenfield. 128 Minuten. Ab 12 Jahren. KINOKINO