Ihn gibt es zweimal: Henry Brogan (Will Smith) und sein jüngerer Klon in „Gemini Man“ Foto: Paramount Pictures

Ang Lee konfrontiert einen Elite-Killer der Zukunft mit seinem 25 Jahre jüngeren Klon, der ihn ausschalten soll – in extrem hoher Auflösung, aber mit vorhersehbarem Plot.

Stuttgart - Nach 72 Abschüssen hat Henry Brogan (Will Smith) genug von seiner Existenz als lizensierter Attentäter des US-Geheimdienstes. Der 51-Jährige will sich zur Ruhe setzen, gerät aber durch einen undurchsichtigen Komplott bald ins Visier seiner früheren Auftraggeber, die den Scharfschützen nun selbst auf die Abschussliste setzen. Damit nicht genug sieht sich der omnipotente Elite-Killer bald einem 25 Jahre jüngeren Gegner gegenüber, der die gleichen Kampfkunstfertigkeiten hat und ihm zudem verdammt ähnlich sieht.

Seit Ende der Neunziger wurde das Drehbuch zu „Gemini Man“ in Hollywood herumgereicht. Ursprünglich sollte Tony Scott Regie führen und hochkarätige Stars wie Harrison Ford, Mel Gibson und Clint Eastwood waren für die Hauptrolle im Gespräch. Aber dann sind Regisseure und Produzenten vor dem Stoff immer wieder zurückgeschreckt, weil die technische Umsetzung zu schwierig erschien. Schließlich galt es einen glaubwürdig verjüngten Klon des Helden als dessen Gegner auf die Leinwand zu bringen.

Ang Lee liebt Herausforderungen

Nun hat der Regisseur Ang Lee das Regie-Zepter übernommen, denn der schreckt vor keiner künstlerisch-technischen Herausforderung zurück, wie man schon seit „Tiger & Dragon“ (2000) weiß. Lee gibt sich nun nicht mit der digitalen Verjüngungskur für seinen Hauptdarsteller Will Smith zufrieden, sondern führt eine weitere Hi-Tech-Innovation ein: Statt mit den üblichen 24 Bildern pro Sekunde wurde „Gemini Man“ in einem hochauflösenden 3D-Format mit 120 Bildern pro Sekunde aufgenommen. Das Verfahren hatte Lee schon in seinem letzten Film „Die irre Heldentour des Billy Lynn“ ausprobiert, der jedoch an den Kinokassen gründlich floppte.

In Deutschland kann kein Kino die 120er-Version spielen, weshalb sich das Publikum mit der halbierten Bildfrequenz bescheiden muss. Das visuelle Ergebnis ist vor allem eins: superscharf. Wer will, kann die grauen Haare auf Will Smiths Kopf einzeln zählen und sich an jedem Staubkorn ergötzen, das durch die Luft wirbelt. Aber auf die gesamte Filmstrecke ist die radikale Schärfe der Bilder eher eine anstrengende Ablenkung, die nicht in ein hyperrealistisches Seherlebnis mündet, sondern als visuelle Spielerei ihren Reiz bald verliert.

Die Action funktioniert

Nur in einer Handvoll Action-Szenen geht das Konzept auf. Die Motorradjagd durch eine kolumbianische Kleinstadt etwa, in der Henry zum ersten Mal mit seiner jüngeren Klonversion konfrontiert wird, ist fulminant choreografiert und profitiert von der visuellen Verdichtung. Solche Szenen bestimmen die gut funktionierende Oberflächenspannung von „Gemini Man“ und lenken zeitweise erfolgreich von der lahmen Plotkonstruktion ab. Der ins Auge springenden technischen Innovationskraft steht hier nämlich die ebenso auffällige Vorhersehbarkeit des Skripts entgegen.

Lee und seinen drei Drehbuchautoren schlagen kaum erzählerisches Kapital aus der Prämisse, dass hier ein Held in der Midlife-Crisis der 25 Jahre jüngeren Version seiner selbst gegenübersteht. Für eine produktive Verunsicherung des Protagonisten bleibt im hektischen Action-Getümmel keine Zeit. Dass der kinderlose Berufskiller und der Klon einander bald näherkommen, ist eine echte Nullüberraschung. Manchmal tröstet ja noch ein veritabler Bösewicht über so manche Plot-Routine hinweg. Aber auch diese Chance wurde mit dem Engagement von Clive Owen vertan, der hier seine Auftritte in die Länge zieht, als würde er für jede Filmsekunde einzeln bezahlt. So bleibt „Gemini Man“ ein hochtechnisiertes Action-Vehikel, dem die narrative Seele fehlt.

Gemini Man. USA 2019. Regie: Ang Lee. Mit Will Smith, Clive Owen. 117 Minuten. Ab 12 Jahren. Bereits von diesem Mittwoch an im Cinemaxx City (auch OV), & SI, Gloria (auch 3D, OV), Ufa (auch OV)