Putzt sich heraus: Elle Fanning in „Die ­Verführten“ Foto: Verleih

Vor der Kulisse des amerikanischen Bürgerkriegs zeigt Sofia Coppola, wie Frauen dem Charme Männern erliegen – und wozu sie gedemütigt imstande sind.

Stuttgart - Sticken beruhigt. Diese Weisheit bekamen Generationen von Frauen zu hören, um sie von angeblich dummen Gedanken abzubringen. Auch im Mädchenpensionat von Miss Martha Farnsworth (exquisit: Nicole Kidman) wird exzessiv Nadelarbeit betrieben, neben der Konjugation französischer Verben. Beruhigung haben die fünf jungen Damen unter Aufsicht von Miss Farnsworth und der Gouvernante Edwina Dabney (Kirsten Dunst) bitter nötig. Denn knapp hinter den Mauern des Herrenhauses tobt der Amerikanische Bürgerkrieg. Als die kleine Amy (Oona Laurence) beim Pilzesuchen im Wald auf den großen bösen Wolf in Gestalt des verwundeten Nordstaaten-Corporals John McBurney (Colin Farrell) trifft, ist die Ruhe dahin. McBurney ist nicht nur ein Feind, sondern auch ein ansehnliches Exemplar der Gattung Mann, das die Zuwendungen christlicher Nächstenliebe erbittet.

Als pinkfarbenes Satinband schlängelt sich der Schriftzug „Die Verführten“ über die ersten Bilder, Sofia Coppola hat Thomas P. Cullinans Roman „A Painted Devil“ adaptiert, den Don Siegel bereits 1971 mit Clint Eastwood unter dem Titel „Betrogen“ verfilmte. Coppolas eigenständige Reinszenierung des Stoffes, in dem eine von der kriegerisch-männlichen Außenwelt abgeschirmte Gruppe von Frauen durch den unerbetenen Gast erst irritiert, dann erotisiert und schließlich böse ausgespielt wird, ist ein kleines Meisterwerk.

Die Pflanzenwelt symbolisiert ein in moralischer Auflösung begriffenes Innenleben

Der Kameramann Philippe Le Sourd erzeugt in seinen Bildern eine schwüle, vom morbiden Charme des Verfalls geschwängerte Atmosphäre, mit staubig dicker Luft und diffusem Sonnenlicht, das kaum durch das wild wuchernde Geäst in Miss Farnsworths verlottertem Rosengarten dringt. McBurneys Äußerung, der Garten benötige dringend Pflege, klingt nicht von ungefähr zweideutig. Die Pflanzenwelt symbolisiert das in moralischer Auflösung begriffene Innenleben der äußerlich so sittsamen Frauen, die schnell dem falschen Zungenschlag McBurneys erliegen. Spöttisch zeigt Coppola, wie sich nicht nur die Lehrerinnen, sondern auch deren junge Schützlinge für den Soldaten herausputzen. Als sie aber McBurneys wahre Absichten erkennen, fahren die Frauen schwerere Geschütze auf als die im Krieg kämpfenden Truppen.

Coppola zeigt, wozu gedemütigte Frauen imstande sind, sie präsentiert ein Gegenmodell zum Widerstand der jungen Mädchen in ihrem erschütterten Drama „The Virgin Suicides“ (1999), in dem sich fünf Schwestern nur durch den Freitod von männlicher Vorherrschaft befreien können. Hier erobern sich die Frauen ihren Lebensraum mit anderen Mitteln zurück. Die Botschaft, dass man ohne Mann besser durchkommt, erscheint pessimistisch; dass die Kunst des Stickens in der Not durchaus nützt, ist dagegen eine irrwitzige Pointe.