Trotz großer Star-Besetzung ist Tom Hooper an dem Versuch gescheitert, das handlungsarme Musical „Cats“ zu verfilmen.
Stuttgart - Ein derartiges Kino-Debakel hat es lange nicht gegeben: Tom Hoopers Verfilmung des Musicals „Cats“ ist in den USA von der Kritik förmlich zerrissen worden, durchweg analytisch und gut begründet. Auf sagenhaft niedrige 18 Prozent kommt der Film im Kritikerspiegel auf der Internetplattform „Rotten Tomatoes“. Das US-amerikanische Branchenmagazin „Variety“ schrieb, neun Leben könnten einigen der Stars – darunter Judi Dench, Idris Elba und Taylor Swift – nicht ausreichen, um die Schmach ihrer Verstrickung in dieses missratene Projekt abzustreifen. Das Studio Universal hat inzwischen eine überarbeitete Version des Films in die Kinos nachgeliefert und zumindest einige der misslungenen digitalen Effekte nachgebessert.
Eigentlich hatte T. S. Elliot seine Katzengedichte nur für seine Patenkinder geschrieben, bevor sie 1939 im „Old Possums Katzenbuch“ veröffentlicht wurden. Vierzig Jahre später komponierte Andrew Lloyd Webber ein Musical drumherum, das seit seiner Uraufführung 1980 ein Dauerbrenner auf den Musik-Show-Bühnen der Welt ist. Trotz des riesigen Erfolges ist „Cats“ nie verfilmt worden.
Was auf der Bühne funktioniert, taugt nicht automatisch fürs Kino
Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Das Musical ist eine Aneinanderreihung von Musik- und Tanzeinlagen ohne nachweisbare narrative Struktur. Die Protagonisten stecken in Katzenkostümen und ihre Gesichter sind hinter Masken und dickem Make-up kaum zu erkennen. Auf der Bühne fällt das wenig auf, weil man hier auf das choreografierte Gesamtgeschehen schaut. Im Kino hingegen kommt man um Nahaufnahmen nicht herum.
Allen Widrigkeiten zum Trotz hat sich nun Tom Hooper, der mit „Les Miserables“ schon erste Kino-Musical-Erfahrungen sammeln konnte, des Katzensingspiels angenommen – und scheitert auf fast schon tragisch vorhersehbare Weise. Mit einer Mischung aus erstklassigen Ballett-Tänzern und britischer Schauspiel-Prominenz hat er sein Katzenensemble besetzt.
Das Werk hat keinerlei Spannung
Keine geringere als Dame Judi Dench spielt die Matriarchin des sogenannten Jellicle-Clans, die jedes Jahr eine Katze auswählt, die im „Sphärischen“ ein neues Leben beginnen kann. In die Rolle des Bösewichtes Macavity, der die Konkurrenz verschwinden lässt, begibt sich Idris Elba. Sogar Ian McKellen hat einen Auftritt als Theaterkater. Und die Primaballerina des Royal Ballet Francesca Hayward führt als frisch ausgesetzte Mieze Victoria ins Londoner Straßenkatzenmilieu ein.
Zweifellos ist hier – und das gilt vor allem auch für die Kulissenbauer und Tanzchoreografen – jede Menge Talent vereint, das jedoch auch nichts ändern kann an der offensichtlichen Dysfunktionalität des Werkes. Wenn sich Song an Song reiht ohne nennenswerte Zwischendialoge und über fast eine Kinostunde eine Katzenfigur nach der anderen vorgestellt wird, sind die ersten Materialermüdungen deutlich zu erkennen. Auch die rudimentäre Handlung, die danach um einen Gesangswettbewerb auf dem Jellicle-Ball mühsam zusammengeschraubt wird, entwickelt keinerlei Spannungsmomente.
Die deutsche Synchronisation ist verstörend
Das Hauptproblem bleibt hier jedoch die Verwandlung der menschlichen Darsteller in Katzen, das Hooper trotz Pelztier-Haute-Couture, Make-Up-Kunst und ein paar CGI-Effekten nicht zu bewältigen vermag. Da können die Schauspieler noch so viel auf Zehenspitzen schleichen und mit dem angeklebten Schwanz gestikulieren – eine Katze wird aus ihnen nicht und ihr menschliches Antlitz ist zu sehr verfremdet, um auf der Leinwand irgendeine Wirkung zu entfalten.
In Erinnerung bleiben ein paar solide choreografierte Tanzeinlagen, aber vor allem auch die verstörende deutsche Synchronisation, in der sogar ein afroamerikanisches Stimmkaliber wie Jennifer Hudson auf schmerzhafteste Weise eingedeutscht wird.
Cats. USA 2019. Regie: Tom Hooper. Mit Judi Dench, Idris Elba, Jennifer Hudson. 111 Minuten. Ohne Altersbeschränkung. Cinema (auch OV), Metropol