In den Kinosälen hinter der Fassade des alten Stuttgarter Bahnhofs fällt Ende Dezember der letzte Vorhang. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Die Stuttgarter Innenstadtkinos ziehen die Reißleine und geben das Metropol-Kino in der Bolzstraße auf – auch, aber nicht in erster Linie wegen der Corona-Krise.

Stuttgart - Es ist das Ende einer Ära: Das Stuttgarter Kino Metropol schließt zum 31. Dezember. Das haben am Dienstag die EM-Filmtheaterbetriebe Mertz GmbH & Co. KG mitgeteilt, die am Schlossplatz auch die Innenstadtkinos Gloria, EM und Cinema innehaben. Mit dem Metropol verliert die Stadt nicht nur ein Lichtspieltheater wie den im Frühjahr geschlossenen Ufa-Palast am Nordbahnhof, sondern ein Haus mit Tradition und Bedeutung für die Stuttgarter Filmkultur.

1926 wurde hinter der Fassade des alten Stuttgarter Bahnhofs in der heutigen Bolzstraße der erste Ufa-Palast eröffnet und zum Premierenkino. Stars wie Errol Flynn waren dort zu Gast, er kam 1953 zur Premiere von „Gegen alle Flaggen“. Später entwickelte sich das Haus mit seiner Öffnung zur Straße und dem historischen Foyer mit den geschwungenen Treppen zum wichtigsten Stuttgarter Festival-Kino: Das Trickfilm-Festival nutzte es, das Doku-Festival, das Indische Filmfestival und die Filmschau Baden-Württemberg sind nun vorerst heimatlos.

„Corona hat die Sachlage eindeutig verschärft“

„Das war eine sehr schwierige Entscheidung“, sagt Karin Fritz, die Geschäftsführerin der EM-Filmtheater, „aber manchmal muss man eben auf die Zahlen schauen.“ Bereits 2019 habe man mit dem Gebäudeeigentümer Union Investment verhandelt – ohne Erfolg. „Es ging darum, die Pacht zu senken“, sagt Fritz. „Wir haben das hundertmal durchgerechnet und keine Lösung gefunden.“

Fritz führt die Geschäfte in dritter Generation. Ihr Großvater, der Architekt und Stadtplaner Eugen Mertz, kaufte nach dem Zweiten Weltkrieg die Ruine des Marquardt-Baus, stellte das Gebäude wieder her und stieg ins Kinogeschäft ein: 1950 eröffnete er das EM, 1955 das Cinema und 1956 das Gloria. Das Metropol kam vor 20 Jahren dazu, und weil es nicht im eigenen Haus liegt, musste es angemietet werden.

„Corona hat die Sachlage eindeutig verschärft“, sagt Karin Fritz, „aber die Wirtschaftlichkeit des Metropol war schon vorher nicht mehr gegeben. Die Zuschauerzahlen sind gesunken, 2018 um 18 Prozent, gleichzeitig sind die Nebenkosten gestiegen.“ In diesem Jahr sei man sich mit Union Investment nähergekommen. „Die Bedingung war aber, dass ich sofort hätte verlängern müssen“, sagt Fritz. „Und momentan wagt ja niemand mehr eine Prognose, wann sich das Leben wieder normalisiert und wie nachhaltig sich die Gewohnheiten der Menschen dann verändert haben werden.“

Die Gewohnheiten der Filmverleiher haben sich bereits verändert, sie verschoben ihre Blockbuster wie „James Bond“ auf bessere Zeit oder gingen gleich ins Streaming wie Disney mit „Mulan“. Und dann kam die erneute Zwangsschließung. „Das ist sehr schade“, sagt Karin Fritz. „Wir haben gezeigt, dass wir in der Krise Kino machen können, und haben von den Besuchern viel positives Feedback bekommen, dass sie sich bei uns sicher fühlen.“

Kulturdenkmal Metropol

Corona spielt also zumindest eine Nebenrolle – und ist mit dafür verantwortlich, dass Fritz die im bisherigen Mietvertrag stehende Option nicht gezogen hat, um ein Jahr zu verlängern bis Ende 2021. Das macht die Geschichte noch tragischer – denn das Metropol wäre vielleicht zu retten gewesen.

„Es gab Gespräche mit Stadt und Region“, sagt Ulrich Wegenast, der künstlerische Geschäftsführer der Film und Festival gGmbH, die das Trickfilm-Festival veranstaltet. „Die Idee war, im Metropol 2 einen Übergangsspielbetrieb des neuen Film- und Medienhauses zu etablieren, das hoffentlich 2026 erbaut ist. Inzwischen hätte man fürs Metropol ein Betriebskonzept entwickeln können. Das ist ja nicht nur ein Kino, sondern ein Kulturdenkmal. Wir wollten 2021 gemeinsam mit den Innenstadtkinos ein Finanzierungsmodell in Form einer Private-Public-Partnership entwickeln und damit in die Haushaltsgespräche gehen.“

Er sieht das Film- und Medienhaus als Ergänzung: „Wenn ein Almodóvar-Film startet, kann das Filmhaus die Retrospektive zeigen und den Kontext schaffen mit Ausstellungen und Panels.“ Bei der Interimsnutzung hätten die unter dem Dach des Film- und Medienhauses versammelten Filmkultur-Akteure der Stadt auch „neue Ansätze ausprobieren können – die Kinos müssen sich in Zeiten von Netflix ja etwas einfallen lassen“. Die über ein Jahr im Metropol laufende Reihe „Animation Special“ des Trickfilm-Festivals etwa sei gut besucht gewesen.

Nun werden die Kinos ausgeräumt. „Das ist extrem bedauerlich“, sagt Wegenast. „Die Innenstadtkinos waren immer ein fairer Partner.“