„Der Frosch mit der Maske“ (1959): Ein als „Frosch“ verkleideter Schurke schleppt die schöne Ella Bennet (Eva Anthes) in ein geheimes Versteck. Foto: picture-alliance / obs

„Hello, hier spricht Edgar Wallace.“: Die Edgar-Wallace der 1950er- bis 1970er Jahre sind Klassiker des Krimi-Genres. Vor 60 Jahren, am 4. September 1959, ging der Edgar-Wallace-Hype los – mit „Der Frosch mit der Maske“. Die Uraufführung war im Universum-Kino in der Stuttgarter Königstraße.

Stuttgart - Eine düstere, nebelverhangene Nacht. Nur das Quaken der Frösche ist zu hören. Ein furchterregender Verbrecher macht London unsicher. Der Frosch, Kopf einer berüchtigten Diebesbande. Sein Gesicht ist unter einer dunklen Maske verborgen, aus der zwei riesige Glubschaugen herausragen.

Schnitt. Ein schwarzer Schriftzug auf rotem Grund erscheint auf dem Bildschirm und eine sonore Stimme ertönt aus dem Off: „Hello, hier spricht Edgar Wallace.“

4. September 1959: Premiere des ersten Edgar-Wallace-Films in Stuttgart

So beginnt „Der Frosch mit der Maske“. Vor 60 Jahren – am 4. September 1959 – feierte im Stuttgarter Großkino Universum der erste Edgar-Wallace-Film Premiere. Bis 1972 sollten 37 weitere Krimis folgen, die überwiegend von der dänischen Rialto Film gedreht wurden.

Unter der Regie von Harald Reinl spielten 1959 unter anderem Joachim Fuchsberger, Siegfried Lowitz, Eva Pflug, Eddi Arent, Karl Lange und Ernst Fritz Fürbringer.

„Der Frosch mit der Maske“ und andere cineastische Preziosen

Mit dem Original-Roman „The Fellowship of the Frog“ aus dem Jahr 1925 des englischen Schriftstellers und Journalisten Edgar Wallace (1857-1932) hat der Film wie die übrigen cineastischen Adaptionen nur entfernt etwas zu tun. Der gruselig-gruftigen Atmosphäre tat das aber keinen Abbruch.

Antiquiert, betulich, theatralisch, skurril

Zugegeben: Die 38 Filme, die ab Seriennummer 26 („Der Bucklige von Soho“, 1966) in Farbe produziert wurden, wirken heute etwas antiquiert und betulich. Gegenüber den diversen aufregend-aufgeregten Forensiker- und Detektiv-Krimiserien aus den USA wirken die Edgar-Wallace-Verfilmungen der 1960er- und frühen 1970er Jahre ziemlich albern, altbacken und verschroben.

Und doch sind sie ein echter Klassiker des Genres. Der gestelzte, angelsächsisch-anmutende Humor, das Panoptikum skurriler Gestalten, die theatralischen Gesten und Schreie, das muffige Interieur der Schlösser und Herrenhäuser, die düsteren Blindenheime und finsteren Kellergewölbe sowie die eingespielten Originalszenen aus London sind typisch für die Filme, die immer etwas von einem Fernsehspiel hatten – eine Filmform, welche in den 60ern und 70ern im deutschen Fernsehen sehr populär war.

Seelenbalsam für gestresste Gemüter

Für gestresste Gemüter sind „Die toten Augen von London“ (1961), „Das Gasthaus an der Themse“ (1962), „Der Zinker“ (1963) oder „Der Hexer“ (1964) Seelenbalsam. Regisseure wie Alfred Vohrer und Harald Reinl (der auch die Karl-May-Filme der 1960er Jahre drehte) und ein bewährtes Darsteller-Team sorgen für Kontinuität und bekannte Gesichter.

Die Handlungsstränge sind stets ähnlich angelegt. Ein spektakulär in Szene gesetzter Mord im Vorspann, der reißerische Filmtitel in blutroten oder giftgrünen Buchstaben sind dem eigentlichen Krimi-Geschehen vorangestellt.

Fiese Verbrecher und lüsterne Polizeichefs

Die Verbrecher sind fiese Gestalten, die aus niederen Beweggründen morden, stehlen und betrügen. Die Chefs von Scotland Yard (unnachahmlich gespielt von Siegfried Schürenberg und Hubert von Meyerinck) sind lüsterne, ältere Herren, die an ihren wohlgeformten Sekretärinnen mehr interessiert sind an ihrer Arbeit.

Die Ermittler (Joachim Fuchsberger, Heinz Drache, Siegfried Lowitz, Harald Leipnitz oder Klausjürgen Wussow) agieren besonnen und überlegt. Die weiblichen Hauptrollen sind mit attraktiven Schauspielerinnen besetzt (Karin Dor, Karin Baal, Brigitte Grothum, Grit Boettcher).

Auch in den zwielichtigen und komischen Rollen sind alte Bekannte der 60er-Jahre-Filme zu sehen: Klaus Kinsiki (grandios) als Kleinganove, der spielt als wäre er auf einem Endlos-Drogentrip; Eddi Arent als Butler oder Kriminalassistent, der tollpatschig und sprücheklopfend durch die Szenerie stolpert. Große Mimen wie Gert Fröbe, Elisabeth Flickenschildt und Lil Dagover treten in Gastrollen auf.

Die Filme spielen wie die Romane fast immer in London und Umgebung. Straßen in Hamburg und Berlin sowie deutsche Schlösser dienten als Drehort. Die Filmtitel geben einen ersten Hinweis auf den Hauptverbrecher („Der unheimliche Mönch“, 1965; „Im Banne des Unheimlichen“, 1968) oder das Mordwerkzeug („Das indische Tuch“, 1963; „Der Hund von Blackwood Castle“, 1968; „Das Geheimnis der grünen Stecknadel“, 1972).

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Miniröcke und Schlaghosen, Turmfrisuren und Koteletten

Mode und Filmmusik sind ein Spiegelbild ihrer Zeit: Miniröcke, nackte Busen, reißerische Soundtracks, Marylin-Monroe-Chick, Turmfrisuren, Schlaghosen, Koteletten und breite, scheußlich gemusterte Krawatten. Kurz gesagt: Edgar-Wallace-Filme sind einfach klasse.

Das Universum in Stuttgart

Nicht nur die Edgar-Wallace-Filme sind Kult – auch das Universum gehört in die erste Reihe der Kinos in Deutschland. Am 28. September 1950 wurde der traditionsreiche Leinwandpalast in der Königstraße 4 nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg wiedereröffnet.

Mit 1909 Sitzplätzen war es eines der größten Lichtspielhäusern der Republik – und ein Premierenkino. Hier fand am 5. März 1959 die Uraufführung von Fritz Langs Abenteuerfilm „Der Tiger von Eschnapur“ statt.

Am 12. Dezember 1962 wurde in der unteren Königstraße der erste der Karl-May-Filme uraufgeführt: „Der Schatz im Silbersee“ mit Pierre Brice in der Rolle des edlen Apachenhäuptlings Winnetou und Lex Barker als sein Blutsbruder Old Shatterhand.

Der frühere Kolumnist der „Stuttgarter Nachrichten“, Joe Bauer, erinnerte sich am 6. Febaruar 2009 an dieses an dieses weltstädtische Kino:

„Am 12. Dezember 1962 wurde im Universum in der unteren Königstraße „Der Schatz im Silbersee“ uraufgeführt. Das Universum war ein Premierenkino, es befand sich dort, wo inzwischen der Kaufhof steht. Man darf sich eine Premiere damals nicht wie heute eine Preview voller Popcornfresser vorstellen. Die Welturaufführung des ersten Karl-May-Films ging exklusiv in Stuttgart über die Bühne, mit rotem Teppich und echten Stars.“

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