Kinky Friedman gibt sich mit dem Lone Star am Revers durchaus texanisch. Konservative Landsleute halten ihn trotzdem für einen Zerstörer von Sitte und Tradition. Foto: CBS

In den Siebzigern hat er fiese Country-Lieder der etwas anderen Art geschrieben, in den Achtzigern wurde Kinky Friedman zum ätzend witzigen Krimiautor. Nun kommt er mit der besten Platte seines Lebens im Gepäck nach Schorndorf.

Stuttgart - Ein Kerl in Pistolero-Stiefeln und Cowboy-Klamotten, der in texanischen Kneipen vom Holocaust singt? Den kann es doch nicht geben, den muss doch Hollywood für eine fiese Satire erfunden haben? Falsch, den Mann gibt es. Er heißt Kinky Freeman und ist einer der knorrigsten Provokateure der amerikanischen Liedermacherszene. Wer noch nie von ihm gehört hat, kann ihn jetzt live kennen lernen: am 12. Mai tritt er um 20.30 Uhr in der Schorndorfer Manufaktur auf.

Mehr als einem Redneck mit Gallonenhut dürfte der Kautabak aus dem Mund gefallen sein, als Friedman 1971, nach einem dreijährigen Aufenthalt als Entwicklungshelfer auf Borneo, Ernst machte mit der Musikerkarriere. Man hatte als konservativer Wild-West-Macho ja schon genug damit zu tun, all die Stirnbänder und Batikhemden tragenden Hippies zu hassen, die gegen den Vietnamkrieg demonstrierten. Aber dieser neue Nestbeschmutzer, dessen Band sich Kinky Friedman & the Texas Jewboys nannte, war um vieles gefährlicher, ein linker, auch noch in Chicago geborener Jude, der behauptete, er sei genau so ein Texaner wie jeder andere Hutträger. Und seine bösen Fünf-Minuten-Geschichten über Texas und Amerika seien Wahrheiten eines Insiders.

Keine Juden wie Jesus mehr

In Deutschland war Friedmans Schaffen in den Siebzigern kaum bekannt. Irgendwo zwischen Bob Dylan, Randy Newman und Country Joe McDonald war er jenen Radio-Moderatoren, die vor dem Internet darüber bestimmten, was man hierzulande an kratzbürstiger US-Musik kennenlernen konnte, aus dem Blick geraten. Ätzende Songs wie „They don’t make Jews like Jesus anymore“, eine Abrechnung mit dem alltäglichen Antisemitismus, kamen erst mit Verspätung zu uns, als Friedman eine zweite, erfolgreichere Karriere startete: er wurde Krimiautor.

Ab 1992 legte der nun auch schon lange untergegangene Haffmans Verlag auf Deutsch vor, was der Kinkster, wie er sich selbst gern nennt, seit den Achtzigern verfasste, sicherheitshalber meist von Greenwich Village aus. Held dieser Krimis ist natürlich ein Typ namens Kinky Friedman, der mit einer Schar abgedrehter Freunde gesegnet und mit einem komplett kranken Westernheimat geschlagen ist. „Greenwich Killing Time“, „Lone Star“, „Wenn die Katze weg ist“ und anderes musste man damals gelesen haben, wenn man darüber mitreden wollte, was ein Krimi jenseits von „Tatort“-Klischees sein konnte. Und mancher „Tatort“-Drehbuchautor, der die einstige Biederserie mit Humor aufmischt, dürfte mit Friedmans Büchern sozialisiert worden sein.

Kämpfer für Biodiesel und Katzenkrallen

Um den Musiker Friedman aber war es in dieser Zeit still geworden. Seine deutschen Fans nahmen noch amüsiert zur Kenntnis, dass er sich bei den Gouverneurswahlen in Texas als Kandidat aufstellen ließ, aber der Kinkster nahm diese ganz praktische Rebellion ernster als viele dachten. Jedenfalls litt der Witz der späteren Krimis etwas unter Friedmans Kampf für Biodiesel und gegen Katzenkrallenamputation.

„Why the Hell not Kinky?“, lautete der Wahlkampf-Slogan des passionierten Zigarrenrauchers, aber hierzulande fragten sich die Altfans „Wo zum Teufel steckt Kinky?“ Hätte man sich für so einen Querkopf ein Altenteil vorstellen können, man hätte wetten mögen, der 1944 Geborene säße darauf. Bis 2015 überraschend die beste Plate seiner Karriere erschien, nach 32 Jahren Studiopause: „The loneliest Man I ever met“.

Raue Alterswürde

Friedman klingt kratziger, trauriger, aber auch weiser als früher. Sein galliger Humor ist noch da, aber er garniert damit eigene und fremde Geschichten, deren Bitternis einen durchaus ins Bier weinen lassen könnte, wie der Cover-Text androht. Wie im Spätwerk von Johnny Cash wird das frühere Ich und das Schaffen nicht verleugnet, aber es wirkt nun ein wenig naiv neben er rauen Alterswürde der Balladen. Wer ein Pferd, ein Mofa, einen Tretroller oder sonst etwas satteln kann, sollte sich vielleicht wirklich nach Schorndorf aufmachen.

Termin: Donnerstag, 12. Mai, 20.30 Uhr, Manufaktur Schorndorf