Rund wie der Ball möge auch der Bauch des Vaters werden. Foto: Setzer

Mann wächst mit seinen Aufgaben, und manchmal eben in die Breite. Seit der Vaterschaft beklagt unser Kolumnist Michael Setzer eine deutliche Erweiterung seines Umfanges. Daran ist natürlich das Kind schuld. Wer denn sonst?

Stuttgart - Was man eben so macht um 6:14 Uhr am Montagmorgen. „Hömma!“, sage ich, „Das Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit des Tags“ und gehe dann nahtlos in laute Knuspergeräusche über, als würde ich den Kleinen aufessen wollen. Er lacht, kiekst und windet sich – und nur ein Riesendepp würde jetzt mit dem Knuspern aufhören, da der Kleine doch gerade so viel Spaß hat. Vom Spaß des Vaters wollen wir gar nicht erst anfangen.

Ich wiederhole mich da gerne: Das beste Lied der Welt, ist das dreckige Lachen eines Kindes. Ich will davon eine Schallplatte, die nie aufhört sich zu drehen und ich will zur Sicherheit einen Schrank voll mit dieser Platte. Dann kann ich die ab und an mal an meine Freunde verleihen, wenn sie wissen wollen, wie das beste Lied der Welt klingt, und ich hätte immer noch genügend Exemplare zu Hause. Es ist wie eine Sucht.

Ich: „Jetzt noch Ketchup und Salz. Ich ess‘ dich auf“Er: „Gnhihirawlkicher“

Zugelegt, mein lieber Scholli

Das Kind weiß natürlich, dass ich ihn nicht wirklich aufessen würde. Erstens: ich bin Vegetarier, zweitens: habe ich vergessen. Ich rechne ihm dieses Vertrauen dennoch hoch an, auch weil ich seit geraumer Zeit aussehe, als würde ich keine Mahlzeit von der Tischkante schubsen.

Sagen wir wie es ist: Ich habe während und nach der Schwangerschaft ordentlich zugelegt. Eigentlich hätte ich mir die Snacks auch gleich an die Hüften tackern können. Hab sie aber tatsächlich verputzt. Wenigstens das: Ich entspreche damit dem typisch männlichen Klischeevater. Sie legen alle zu.

Später beim Babyschwimmen werden manche dann fast ohnmächtig, weil sie die ganze Zeit den Bauch einziehen. Also, „die“. Ich selbst war super, hatte trotzdem ein schlechtes Gewissen, in Badeshorts rumzustehen, die streng genommen nur noch gepasst haben, weil sie früher viel zu groß und ich selten schwimmen war.

Schokolade als Magenschließer

Während der Schwangerschaft habe ich all die Dinge aufgegessen, die ich für die Frau gekocht habe – vornehmlich ab 23:40 Uhr und meistens mit Käse drauf. Sie nahm drei Gabeln zu sich, dann wollte sie lieber Eis, Kekse, eine Pizza und Pommes. Und Schokolade. Ich habe derweil mit schwäbischem Selbstverständnis die Reste meiner Komposition aus vier Kilo Nudeln mit Käse gegessen. Nix verkommen lassen. Zum Nachtisch und als Belohnung für mein selbstloses Opfer: die Reste vom Eis, den Keksen und der Pizza.

Seit das Kind da ist, wurde mein Essverhalten nicht besser: Kind auf dem Arm, die freie Hand im Kühlschrank, wahllos reingreifen, Mund auf und „Uurraghh!“, rein damit, inhalieren. Wie so ein weißer Hai bei Spielberg. Und wenn alle dann schlafen: irgendetwas kochen plus ein bisschen Schokolade als Magenschließer. Das war’s grob. Meine Hüften und Bauch können die Geschichte besser erzählen.

Fitnessstudio? Joggen?

Ja, klar „Sport“. Ins Fitnessstudio möchte ich nicht gehen. Es scheint mir ein schlechter Deal, Zeit mit dem Kind gegen einen Raum voll mieser Musik einzutauschen. Joggen kann ich auch nicht haben. Ich bin einer von denen, die Zigaretten mitnehmen würden – für eine kleine Pause.

Eine Jogginghose habe ich mir trotzdem kürzlich zugelegt – mein Sport ist, mich damit nicht sofort auf die Couch zu legen. Bin dann nach vier Minuten derart erschöpft, dass ich erst mal etwas essen muss. „Da guck“, sage ich zur Frau, als das Kind versucht, ohne Atemmaske meinen Bauch zu erklimmen. „Ein Kind braucht eine richtige Spielwiese!“

Die besten Ausreden der Welt

Seit das Kind da, habe ich einfach die besten Ausreden parat, die würde ich sogar selbst glauben, wenn man sie mir erzählte. Hier, noch eine: Lieber keinen Sport machen, es wäre verantwortungslos. Der Kleine könnte sich an meinen Knochen oder stahlharter Muskelmasse stoßen, wenn wir Quatsch und Knuspergeräusche machen und dabei durch die Wohnung kugeln. Super, oder?

Auch toll: Den Beißring vom Kind im Kühlschrank lagern. Ein kalter Beißring ist wohltuend für den Kleinen, wenn er sich wegen der Zahnerei unleidig fühlt. Und wenn die Tür vom Kühlschrank schon mal offen ist … weißer Hai.

Mit meinem Umfang wuchs leider auch die Spaßbereitschaft bei uns zu Hause. „Hallooohhh Echhhoooo!“, ruft die Frau in meinen Bauchnabel. Und der Kleine lacht schon wieder. Na toll.

Michael Setzer ist vor Kurzem Vater geworden. Früher haben Eltern ihre Kinder vor Leuten wie ihm gewarnt. Niemand hat ihn vor Kindern gewarnt. Er schreibt im Wechsel mit seiner Kollegin Lisa Welzhofer, die sich in ihrer Kolumne „Mensch, Mutter“ regelmäßig Gedanken übers Elternsein, über Kinder, Kessel und mehr macht. Drüben bei Instagram pflegen beide gerade den StZ-Kanal.