Manchmal will man einfach nur weg. Und zum Glück holt einen das Kind mit dem Wagen ab. Foto: Setzer

Ist gerade nicht sonderlich schwer, den Verstand zu verlieren. Unser Kolumnist Michael Setzer hat Gründe und Tricks, es trotzdem nicht zu tun. Einer davon lacht ständig.

Stuttgart - Es vergeht kein Tag, an dem sich die Wege nicht mit irgendwelchen fürchterlichen Erwachsenen kreuzen und ich denke: Wahnsinn! Das war doch sicher auch mal ein süßes Kind mit Käsefüßen, leuchtenden Augen und reinem Herzen. Kein Tag, an dem man sich nicht an einem dieser Mahnmale für Menschenverstand den Kopf stößt. Meine Theorie: Denen geht’s wahrscheinlich genauso mit mir. Schauen mich an und denken: Was lief denn bei dem schief?.

Manche weniger, manche mehr. Dabei möchte ich anmerken, dass mich die ältere Dame jüngst mit der Grußbotschaft „Ihresgleichen gehört erschossen“, wenigstens noch gesiezt hat. Obwohl sie weder bewaffnet noch zurechnungsfähig erschien, überfordern mich solche Situationen. Besonders nach Hanau. Verhauen? Anbrüllen? Zynisch werden? Verklagen? Belehren? Habe individuell entschieden und „Heute nicht!“ gesagt.

Unverständnis für die Welt

Doch selbst mein gesteigertes Unverständnis für die Welt ändert nichts an meiner Sicht. Für jeden Arsch auf der Straße, für jeden Idioten im Internet fallen mir sofort mindestens 15 Menschen ein, die besser sind als das da draußen. Überlege ich etwas länger, fallen mir noch mehr Leute ein und dann noch viel, viel mehr.

Ich muss ja nicht mal weit schauen. Der Tag beginnt gewöhnlich mit einer Melodie im Kopf und dem Lachen und Brabbeln eines Einjährigen. Die Melodien sind austauschbar: Kinderlieder vom Vortag, herkömmliche Gassenhauer, neulich (aus mir unerfindlichen Gründen) Die Toten Hosen und heute „Black Me Out“ von Against Me!.

Einzigartig ist aber der Einjährige: Er lacht, ich lache. Immer anders, immer ansteckend. Die Mutter lacht dann auch. Naturgesetz. Die Uhrzeit fast egal. Wahrscheinlich gibt’s nichts, das ehrlicher ist als die gute Laune eines Kindes. Die beste Ansteckungsgefahr der Welt. Ich sag’, wie’s ist: Die Doofen müssen sich wirklich anstrengen, mir einen Tag zu verhageln, der so gut anfängt. Gutmenschenquatsch aus Bullerbü, ich weiß. Aber das Gegenteil bringt ja auch nix.

Und was ich eigentlich sagen will, ich habe gerade frei und fasse mich deshalb etwas kürzer als sonst: Bitte aufpassen da draußen. Bei Viren, Rassisten, anderen schlechten Menschen oder Übel – abwinken und „Heute nicht!“, sagen. Jeden Tag. Das ist ein Anfang.

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Michael Setzer ist vor gut einem Jahr Vater geworden. Früher haben Eltern ihre Kinder vor Leuten wie ihm gewarnt. Niemand hat ihn vor Kindern gewarnt. Er schreibt im wöchentlichen Wechsel mit seiner Kollegin Lisa Welzhofer, die sich in ihrer Kolumne „Mensch, Mutter“ regelmäßig Gedanken übers Elternsein, über Kinder, Kessel und mehr macht.