An der Esslinger Landesbühne haben „Das schrillste Blau“ von Sergej Gößner und „Der Zinnsoldat und die Papiertänzerin“ nach dem Märchen von Andersen Premiere. In beiden Kinderstücken geht es um eine sehr menschliche Lösung von widrigen Umständen.
Einsam muss der standhafte Zinnsoldat seine Abenteuer überstehen. Kaum hat er sich in eine Papiertänzerin verliebt, wird er auch schon wieder von ihr getrennt. Der Dramatiker Roland Schimmelpfennig hat aus Hans Christian Andersens Kunstmärchen nicht nur eine Theaterversion gemacht, sondern ein „Duett“, wie es der Regisseur Martin Pfaff ausdrückt. Heißt: Die Papiertänzerin bekommt, anders als bei Andersen, ihre eigene Odyssee durch eine feindliche Welt. An diesem Samstag hat Pfaffs Inszenierung von „Der Zinnsoldat und die Papiertänzerin“ an der Jungen WLB Premiere für Zuschauerinnen und Zuschauer ab sechs Jahren. Gleich am Sonntag folgt die nächste Premiere der Kinder- und Jugendsparte der Esslinger Landesbühne (WLB): „Das schrillste Blau“ fürs noch jüngere Publikum ab vier Jahren.
Gieriger Fische, heimtückische Wolke
Aber erst mal Soldat und Tänzerin – was müssen sie nicht alles erleben! Vom Kind aussortiert, weil neue Spielsachen die kaputten alten verdrängen, werden sie beide auf dem Fensterbrett von einem Windstoß erfasst. Die leichte Papierfigur wirbelt es in die Höhe, wo sie einer heimtückischen Wolke und einer diebischen Elster begegnet. Den Metallmann reißt es nach unten, in den Rinnstein und die Kanalisation, wo ihm eine Ratte zusetzt und er von einem Fisch verschluckt wird.
Crashkurs der Theatermittel
„In den Märchen der Gebrüder Grimm“, sagt der Regisseur, „sind alle gut, nur einer oder eine ist böse. Bei Andersen ist es umgekehrt: Die Welt ist schlecht, aber es gibt gute Außenseiter.“ Vielleicht kommen einem deshalb die Texte des dänischen Dichters so modern vor. Pfaff will aber mit seiner Inszenierung zeigen, dass „es Wichtigeres gibt, als in Zynismus zu verfallen, nämlich die Freude am Spiel und an der Entdeckung besserer Welten, auch wenn es vorerst nur solche der Fantasie sind.“
Das Spielerische und das Fantastische werden in Pfaffs eigenem, gezielt kargen Bühnenbild demonstrativ in Szene gesetzt, und zwar durch die bunten Kostüme von Gwendolyn Bahr und überhaupt alle möglichen Theatermittel, die „alles zum Leben erwecken“, sagt die Kostümbildnerin. Überhaupt, erklärt Pfaff, sei das Zweipersonenstück mit seinen blitzschnellen Rollenwechseln auch ein „Crashkurs über die Möglichkeiten des Theaters – wie schnell man Welten erzeugen und verändern kann“. Was bestens zur frohen Botschaft passt, nachdem sich Zinnsoldat und Papiertänzerin wiedergefunden haben: Gemeinsam geht es besser.
Das gilt auch fürs zunächst so sinnlich wie abstrakt anmutende Farbenstück von Sergej Gößner: Dass „Das schrillste Blau“ eigentlich kein Blau mehr ist, zumindest kein bloßes Blau, steht als kleine Sensation am Ende. Denn am Anfang sind die Grundfarben ganz anders drauf: niemals vermischen! Vor allem Rot duldet keinen fremden (Farb-)Ton, auch Blau ist am liebsten blau. Alles bliebe einfarbig, wären da nicht zwei Erzählerinnen, eine konservative und eine fortschrittliche. Diese wagt in der Laborsituation von Amelie Hensels Bühnenbild ein Experiment: eine Farbmischung – Rosa als ersten Schritte in eine bunte Welt. Ein soziales Gleichnis? Na klar, sagt die Regisseurin Frances van Boeckel: Abschottung gegen Vielfalt und Neugier.
Doch immer wenn es um Fragen der Identität geht – Wer bin ich? Wer will ich sein? –, gibt es Konflikte. So stehen die Farben im Stück für Individualität, sagt die Regisseurin, und damit für das Bedürfnis, sich abzugrenzen. Aber auch für die Möglichkeit, sich zu verbinden: „Am Ende siegt die Neugier auf das Andere.“
Doppelpremiere an der Jungen WLB
Der Zinnsoldat und die Papiertänzerin
Die Premiere von „Der Zinnsoldat und die Papiertänzerin“ (ab sechs Jahren) beginnt an diesem Samstag, 8. März, um 15 Uhr im Studio am Blarerplatz. Die nächsten Vorstellungen folgen am 29. März, 27. April, 4., 17. und 31. Mai sowie am 29. Juni.
Das schrillste Blau
Premierenbeginn von „Das schrillste Blau“ (ab vier Jahren) ist am Sonntag, 9. März, 15 Uhr, im Podium 2 des Esslinger Schauspielhauses. Nächste Vorstellungen: 30. März, 12. und 26. April, 11. und 25. Mai, 21. Juni.