200 Kinder aus Deizisau und Wernau erleben eine Woche lang ihre eigene Stadt, in der vieles wie im wahren Leben ist. Aber nicht alles.
Es regnet in Deizisau – und damit auch auf dem Festplatz, der sich für eine Woche in „Klein Nefingen“ verwandelt hat. Trotz des Schmuddelwetters geht es in der Kinderspielstadt lebhaft zu: In den Betrieben wird gebacken, gekocht, gemalt und geschreinert; es wird Sport getrieben, Theater gespielt und Fernsehen und Zeitung gemacht. 200 Kinder zwischen sechs und 13 Jahren können sich eine Woche lang in 34 Betrieben und Institutionen ausprobieren, können Geld verdienen, Geld ausgeben – und müssen Steuern zahlen.
Das Elterncafé ist der Wartebereich, etwa für Besucher und Besucherinnen, die eine Stadtführung machen wollen. Stella, die heute hier arbeitet, hängt eine bunte Wimpelgirlande auf und setzt damit ein Zeichen gegen das graue Wetter. Die Dekoration wurde am Vortag in der Näherei bestellt. Jetzt bringt sie Farbe ins Café, in dem auch zwei Jungs Karten spielen. Mitten am Tag? „Wir sind arbeitslos“, erklären sie. Nicht, dass sie gar keinen Job gefunden hätten, aber eben keinen, der ihnen zusagte. Als Arbeitslose konnten jetzt schon vor Mittag das Arbeitsamt aufsuchen und sich ihren Wunschjob für den nächsten Tag reservieren.
Ohne Arbeit sei es langweilig, räumen die beiden ein, zumal dann das Geld knapp wird. Wer nicht arbeitet, bekommt zwar Essensmarken beim Rathaus, aber keine „Nefis“ – und ohne Geld kann man sich auch hier nicht viel leisten. „Wir haben vieles wie im richtigen Leben, aber manches auch ein bisschen anders“, sagt Heike Banzhaf-Frasch, die die Spielstadt leitet. So ist hier der Stundenlohn für alle gleich, was ziemlich utopisch ist. Aber alle müssen, wie im wahren Leben, Steuern und Bankgebühren bezahlen. Und wer sich etwas zuschulden kommen lässt – so wie jene beiden, die auf der Bank Geld geklaut haben – entgeht seiner gerechten Strafe nicht. Die Täter mussten Spüldienst leisten. Gleich am Anfang ging es in der Kinderspielstadt in den Wahlkampf; am Sonntag wurde dann Bürgermeisterin Greta mit großer Mehrheit demokratisch gewählt.
Eigentlich waren dieses Jahr 180 Teilnehmer und Teilnehmerinnen für Klein Nefingen vorgesehen. Dank der zahlreichen Ehrenamtlichen – rund 90 sind es insgesamt – konnten es sogar 20 mehr werden. Einige Kinder haben trotzdem keinen Platz bekommen, aber Klein Nefingen kommt ja alle Jahre wieder. Als Kooperation zwischen der Deizisauer Zehntscheuer, der Gemeinde Deizisau und der Stadt Wernau findet die Kinderspielstadt bereits zum 15. Mal statt.
Zeitung in Handarbeit
„Es gibt jedes Jahr neue Ideen“, sagt Banzhaf-Frasch. So gibt es dieses Mal einen Mottotag Sport, und die Zeitung wird wieder verstärkt in Handarbeit erstellt: teils handschriftlich, teils mit Schreibmaschine, woran die Kinder riesigen Spaß haben. Miko hat an heute ein Gedicht übers Wetter verfasst, gestern einen Bericht übers Fußballspiel der deutschen Nationalelf. „Ich bin heute zum dritten Mal bei der Zeitung“, sagt er. Ganz modern geht es beim Fernsehen zu: David filmt mit der Kamera, Selim und Luis lesen ihre Texte vom Handy ab. „Wir sind die Kinder, die moderieren“, erklären sie.
Wer dem Teilnehmer-Alter entwachsen ist, kann als Betreuer oder Betreuerin – hier „Betriebsberater“ – dabei sein. Leon macht das dieses Jahr zum ersten Mal, der 15-Jährige ist mit Klein Nefingen aufgewachsen. „Seit ich durfte, war ich dabei“, sagt er.