Sebastian Edathy stellt sich auf der Bundespressekonferenz den Fragen der Journalisten. Beantwortet aber nicht alle. Foto: dpa

In Berlin schildert Sebastian Edathy seine eigene Sicht auf die Kinderpornografie-Affäre. Er sieht sich selbst als Opfer. Und erhebt neue Vorwürfe. Wer dem Ex-Abgeordneten glauben will, stößt schnell an seine Grenzen, findet Wolfgang Molitor.

Es fällt äußerst schwer, Sebastian Edathy zu glauben. Nicht aus moralischer Empörung, dass der einstige SPD-Abgeordnete Filme mit nackten Kindern bestellt hat. Sondern wegen der Gewissheit, dass da einer weiter sein falsches Spielchen mit der Wahrheit treiben will. Allen eidesstattlichen Erklärungen zum Trotz.

Edathy muss sich im Februar im niedersächsischen Verden wegen des Besitzes von kinderpornografischem Material vor Gericht verantworten. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu zwei Jahre Haft oder eine Geldstrafe. Doch dem 45-Jährigen scheint der Ernst seines Tuns noch immer nicht klar zu sein. Er sieht sich weiter mehr als Opfer denn als Täter. Seine Kinderporno-Bestellungen seien sicherlich falsch gewesen, windet er sich wie gehabt, um seine Entlastung gleich hinterherzuschieben: aber völlig legal. Pädophilie sei Privatsache, verkündet er frech.

In welcher Welt lebt dieser Mann?

Dass sich Erwachsene dabei an Wehrlosen und Schutzbefohlenen vergehen, was kümmert’s ihn. In welcher Welt lebt dieser Mann? Auf eine Einstellung des Verfahrens hofft er, gegen eine Geldbuße von 6000 Euro. So sehe es auch das Gericht, so könne es sich auch die Staatsanwaltschaft vorstellen. Alles halb so wild also. Dass auch diese Edathy-Version nicht stimmt, räumt er erst auf Nachfrage ein. Wobei sich herausstellt: Das Gericht hat lediglich auf einen Vorstoß von Edathys Anwalt Christian Noll reagiert. Juristischer Alltag. Mehr nicht.

Der Fall Edathy nimmt also seinen juristischen Gang und wird vermutlich im Februar sein Ende finden. Die politische Dimension seiner verqueren Behauptungen jedoch könnte die SPD, mehr als nur unangenehm berührt, noch länger beschäftigen. Denn Edathy nennt offen Namen, die bereits vor der Aufdeckung seines Falls „im Bilde“ gewesen sein sollen – allesamt Stützen der Großen Koalition wie der sozialdemokratischen Gesellschaft: Vizekanzler Sigmar Gabriel, Außenminister Frank-Walter Steinmeier, nicht zuletzt SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann.

Wer mit wem darüber gesprochen und wen informiert, wer wen gewarnt und was lanciert, wer mögliche Dienstgeheimnisse verraten hat: Die Suche nach schlüssigen Antworten dürfte demnächst ein Fall für die Staatsanwaltschaft sein.

Wer wird auf der Strecke bleiben?

Die Frage ist, wer bei diesen Untersuchungen – vielleicht schon in ihrem Vorfeld – auf der Strecke bleibt. Bei wem Verantwortung möglichst folgenlos abgeladen werden kann. In der Union dürfte man da ganz genau hinschauen. Schließlich hat der SPD-Schmuddel mit Hans-Peter Friedrich bisher nur einen, und das auch noch einen Christsozialen, das Amt gekostet, obwohl das Verfahren gegen ihn wegen des Verdachts des Verrats von Dienstgeheimnissen längst wegen Geringfügigkeit eingestellt worden ist. Und so könnte von SPD-Seite Jörg Ziercke wieder in den Vordergrund gerückt werden, der zum einen von Edathy so stark wie kein anderer aktiver Spitzenpolitiker belastet wird und obendrein – welch Glück – als Chef des Bundeskriminalamtes vor kurzem in den Ruhestand verabschiedet wurde. Dass an allen Edathy-Vorwürfen nichts dran ist, dürfte selbst die SPD-Spitze – bei aller Skepsis an einzelnen Vorwürfen – nicht glauben.

Edathy macht es Parteifreunden wie Oppermann leicht, seine Behauptungen als „unglaubwürdig“ abzuschmettern. Zu sehr hat er sich in ein Geflecht aus Selbstmitleid, Fehleinschätzungen und Unwahrheiten verstrickt. Doch dass das politische Berlin doch geschwätziger ist, als es tut, und parteipolitisch skrupelloser, als es vorgibt – wer wollte das am Ende ohne einen Schuss Naivität wirklich glauben?