Die Kinderkrankheit Masern kann laut Ärzten häufiger zum Tod führen als bislang angenommen.

Stuttgart - Masern gelten als Kinderkrankheit. Doch das Virus steht auf der Liste der weltweiten Todesursachen weit oben - selbst in solchen Ländern, in denen die Infektionskrankheit längst ausgerottet sein könnte: So liegt derzeit ein sechs Jahres altes Mädchen aus Bayern im Wachkoma, weil es sich mit sieben Monaten mit Masern angesteckt hat. Nun leidet es an einer unheilbaren Gehirnentzündung, einer Folgeerkrankung der Maserninfektion, und die Ärzte fürchten, dass es bald sterben wird.

Der Fall des Mädchens zeigt, dass die Häufigkeit von tödlichen Masern-Spätfolgen offenbar deutlich höher ist als bisher angenommen: So wurden dem Berliner Robert-Koch-Institut für 2006 bundesweit 313 Kinder gemeldet, die im ersten Lebensjahr an Masern erkrankten. "Bei bislang drei Kindern, die sich vor fünf Jahren als Säugling mit Masern angesteckt haben, ist die tödliche Gehirnentzündung ausgebrochen", sagt Martin Terhardt vom Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte.

Gehirnentzündung SSPE bislang deutlich unterschätzt

Die Zahl der Spätkomplikationen aus dem Jahr 2006 allein sei zwar noch nicht repräsentativ, allerdings geht der Verband davon aus, dass die Gehirnentzündung SSPE bislang deutlich unterschätzt wird. Bei der Subakuten sklerosierenden Panenzephalitis (SSPE) zerstören die Masernviren über einen längeren Zeitraum das Gehirn des infizierten Kindes. Die bislang tödlich verlaufende Krankheit kann fünf bis acht Jahre nach einer Masern-Erkrankung ausbrechen - meist bei Kindern im Grundschulalter.

Dabei wäre es ein Leichtes, das Risiko für eine solche Gehirnentzündung zu senken: Zwar ist für Säuglinge eine Impfung gegen Masern nicht möglich - wohl aber für Kleinkinder. Empfohlen wird die erste Impfung für die Zeit zwischen dem 12. und 15. Monat nach der Geburt. Dabei werden dem Kind abgeschwächte lebende Viren gespritzt, damit das Immunsystem Antikörper gegen die Viren entwickeln kann.

Gerade mal 80 Prozent der deutschen Kinder geimpft

Doch offenbar legen Eltern immer weniger Wert auf einen ausreichenden Impfschutz: Gerade mal 80 Prozent der deutschen Kinder wurden nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gegen das Virus immunisiert. In der Vergangenheit war die Impfbereitschaft wohl noch niedriger: Laut dem Kinderärzteverband ist ein Viertel bis ein Drittel der 15- bis 40-jährigen Deutschen nicht ausreichend oder gar nicht gegen Masern geimpft - vor allem, weil sie als Jugendliche die wichtige zweite Impfdosis nicht erhalten haben. Immer wieder kommt es daher zu regelrechten Infektionswellen. So hat das Robert-Koch-Institut allein 2011 bereits 1573 Masernfälle registriert. Die meisten davon in Bayern und Baden-Württemberg. Wer bereits an Masern erkrankt ist, ist ohne Impfung für den Rest seines Lebens gegen das Virus immun.

Für die WHO ist die Impfmüdigkeit der Deutschen ein herber Rückschlag. So hatte diese sich zum Ziel gesetzt, in Europa die Masern bis 2010 ausgerottet zu haben. Dazu hätten aber 95 Prozent der Bevölkerung gegen den Erreger immunisiert sein müssen. In Nord- und Südamerika etwa, wo die Impfraten vergleichsweise hoch sind, hat es geklappt: Dort wurde laut der WHO seit 2003 kein Masernfall mehr gemeldet.