Das Angebot an gebrauchten Sachen ist groß und wird beim Markt in Rutesheim auch gut angenommen.
Reges Treiben herrscht am Samstagvormittag beim Feuerwehrhaus. Schon auf der Straße sind Kundinnen zu sehen, die mit teils gut gefüllten Taschen vom Kinderkleidermarkt kommen. Im großen Saal im ersten Stock suchen viele Interessierte auf den üppig belegten Tischen und an den Kleiderständern nach Schnäppchen. Und die lassen sich reichlich finden, in praktisch allen Größen, von Kleidung für Neugeborene bis hin zu Outfits für Teens. Die Ehrenamtlichen der Nachbarschaftshilfe, einer Einrichtung der Kirchengemeinden am Ort, organisieren diese Verkaufsaktion für gebrauchte Kinderkleidung zweimal jährlich. Seit 1980 gibt es den Markt in Rutesheim, seit 1989 ist Hildegard Kugler dabei. „Ich habe selbst als junge Mutter dort schon eingekauft“, erinnert sie sich. Bis Ende 2024 war sie Leiterin der Nachbarschaftshilfe.
Unter rund 7500 Teilen können Eltern und Großeltern beim Markt nach dem Passenden suchen. Hildegard Kugler weiß das deswegen so genau, weil die Organisatorinnen nur von 150 Anbietern Kleidung annehmen und von jedem auch nur bis zu 50 Stück. „Mehr ist für uns nicht zu handeln, auch vom Platz hier nicht“, sagt sie. Aus Erfahrung weiß sie, dass am Ende 30 bis 40 Prozent der Waren übrig bleiben. Jede Anbieterin oder Anbieter erhält eine Nummer für die spätere Abrechnung und eventuelle Rückgabe nicht verkaufter Teile. Der Aufwand für die 20 ehrenamtlichen Helferinnen ist beachtlich. Gut eine Woche sind sie im Einsatz. „Wir benötigen drei Tage zum Sortieren der Kleidung und zur Preisauszeichnung“, so Hildegard Kugler. Schon freitags können Schwangere zum Kaufen kommen. Sie müssen dann nicht im Gedränge nach Geeignetem suchen oder an der Kasse Schlange stehen, so wie es am Samstagvormittag teilweise der Fall ist. Samstag und Montag ist der Markt jeweils fünf Stunden geöffnet. Reichlich Zeit also, in dem üppigen Angebot zu stöbern.
Da werden kleine Hosen hochgehalten und kritisch beäugt. Passen die wohl? Oft schwer zu sagen, zumal die Kleinen so schnell wachsen. Lara Seitz sucht mit ihrem achtjährigen Sohn nach Sportklamotten. Sie haben schon etwas vom örtlichen Sportverein gefunden, was den Sohn besonders freut. In ihrer Einkaufstasche liegt eine Jeans für drei Euro und eine Regenjacke. Hosen für den Sohn könnte sie mehr brauchen, meint die Rutesheimerin, die noch ein neun Monate altes Kind hat. Gerade Hosen für Buben gebe es nicht so viel. Die gehen halt auch öfter kaputt. Doch die Rutesheimerin ist hochzufrieden mit dem Markt. „Man muss nicht nach Stuttgart fahren und Leonberg bietet auch nicht mehr so viel Einkaufsmöglichkeiten“, meint sie.
Gelebte Nachhaltigkeit
Auch Natascha Rosenau stellt fest, dass das Angebot für Buben geringer ist als für Mädchen. Und neue Sachen seien richtig teuer, sagt die Mutter. Außerdem sei ihr auch der Gedanke der Nachhaltigkeit wichtig. Es würden manche Stücke angeboten, die nur wenig gewaschen und fast neuwertig seien. Es sei schade, wenn die nicht länger getragen würden. Sie selbst gebe immer wieder Kleiderspenden etwa an den Leonberger Diakoniekontaktladen.
Eine Mutter ist mit zwei Buben und zwei Mädchen auf der Suche nach der geeigneten Kleidung für das Zuckerfest am Ende des Fastenmonats Ramadan. Der ältere Sohn hat sich einen dunklen Anzug für zehn Euro ausgesucht und probiert die Jacke schon mal an. Sie sitzt noch recht locker, doch er strahlt, während seine Mutter nicht ganz so überzeugt zu sein scheint. Die ältere der beiden Töchter hält ein rosarotes Kleid hoch. Mutter und Tochter schauen sich kurz an und schütteln dann beide den Kopf, das Kleid kommt wieder an die Stange. „Wir fahren noch nach Stuttgart“, sagt der Sohn. Eine junge Frau holt an der Kasse einen ganzen Stapel Mädchenkleider aus der Einkaufstasche. Sie habe eine große Familie mit 30 Personen, irgendjemandem würden die Kleider immer passen, habe sie zu ihrem Großeinkauf gesagt, berichtet Hildegard Kugler anschließend im Gespräch.
„Das Ganze soll eine soziale Sache sein“, erklärt Kugler den Hintergrund der Aktion. „Und es tut der Umwelt gut, wenn die Kleidung noch mal getragen wird“, fügt sie hinzu. Die extrem niedrigen Preise schonen die Familienkasse. Deutliche Trends beim Angebot könne sie über die Jahre hinweg eigentlich nicht erkennen. „Dieses Jahr haben wir viele Babysachen, es gab aber schon Jahre, als diese knapp waren, das schwankt immer etwas“, so ihre Beobachtung. Was ihr auffällt, sind die vielen schönen und gepflegten Stücke. Insgesamt habe die Kleidung eine bessere Qualität als früher. „Heute achten Eltern offensichtlich mehr auf Qualität“, nimmt sie an.
Reich kann man nicht werden, wenn man die Klamotten seines Nachwuchses verkaufen will. 20 Prozent von den ohnehin sehr niedrigen Preisen bekommt die Nachbarschaftshilfe. Eine Anbieterin kann schon mal 30 bis 50 Euro für ihre Sachen bekommen, meint Hildegard Kugler. In der Kasse der Nachbarschaftshilfe landen nach Abzug der Kosten etwa 300 bis 400 Euro. Nicht verkaufte Kleidung können die Eigentümer wieder abholen oder über die Nachbarschaftshilfe zur kostenlosen Weitergabe etwa nach Bulgarien, Rumänien oder den Kosovo spenden.
Der nächste Kinderkleidermarkt, dann für Herbst- und Winterkleidung, findet am 27. und 29. September statt.