Haben heikle Pläne: Schwesig (re.) mit Merkel. Foto: dpa

Die Koalition prüft den Verzicht auf Kindergelderhöhung, um bedürftigen Familien einen Zuschlag gewähren zu können.

Die Koalition prüft den Verzicht auf Kindergelderhöhung, um bedürftigen Familien einen Zuschlag gewähren zu können.

Berlin - Die Angelegenheit ist heikel: Deswegen dürfte es der neuen Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) sehr ungelegen kommen, dass ihre Pläne vorzeitig bekanntwurden. Die Koalition prüft auf ihre Initiative hin gerade, ob sie auf eine Kindergelderhöhung verzichtet und dafür im Gegenzug die Familien von Geringverdienern stärker unterstützt.

Darum geht es: Das Kindergeld könnte in diesem Jahr um etwa zwei Euro im Monat steigen. Die Anhebung um zwei Euro würde nach Berechnung der Regierung rund 425 Millionen Euro kosten, wovon der Bund 186 Millionen bezahlen müsste.

Die SPD-Ministerin will offenbar darauf verzichten und stattdessen Niedriglöhnerfamilien je Kind 20 Euro mehr im Monat geben. Dieser Kinderzuschlag wird vom Staat an Familien gezahlt, die neben ihrem eigenen Einkommen noch auf Arbeitslosengeld II angewiesen sind. Diese sogenannten Aufstocker bekommen derzeit einen Kinderzuschlag von 140 Euro. Wenn sich die SPD-Politikerin durchsetzt, könnte der Zuschuss auf 160 Euro je Kind steigen.

Hintergrund ist: Die Regierung ist per Verfassung dazu verpflichtet, den Teil des Einkommens, den die Eltern zum Bestreiten des Lebensunterhaltes für ein Kind unbedingt benötigen, steuerfrei zu stellen. Um die Höhe des steuerfreien Betrags an die Entwicklung der Preise anzupassen, legt die Regierung in regelmäßigen Abständen den sogenannten Existenzminimumsbericht vor.

Nachdem die einschlägigen Zahlen kürzlich wieder einmal ermittelt wurden, steht jedenfalls fest, dass der steuerliche Kinderfreibetrag bei der Einkommensteuer rückwirkend zum Anfang des Jahres um exakt 72 Euro steigen muss. Da hat die Regierung keine Wahl. Künftig können dann Eltern je Kind zusätzlich zu ihrem persönlichen Freibetrag einen Betrag 7080 Euro im Jahr verdienen, ohne Steuern zu zahlen. Normalerweise nimmt der Gesetzgeber die Anpassung der steuerlichen Freibeträge zum Anlass, auch das Kindergeld zu erhöhen. Grundsätzlich wird an jeden Kindergeldberechtigten erst einmal das Kindergeld ausgezahlt.

Wenn die Eltern dann aber ihre Steuererklärung abgegeben, prüft das Finanzamt vor der Festsetzung der Steuerschuld, ob die Steuerpflichtigen mit dem Kindergeld finanziell besser stehen oder mit dem steuerlichen Freibetrag. Automatisch wird dann die Variante angewendet, die für den Betroffenen die günstigere ist.

Nun ist es aber so, dass von den Freibeträgen die Bezieher höherer Einkommen profitieren. Laut Angaben des Bundes der Steuerzahler stellt sich etwa ein Ehepaar mit einem Kind mit dem Freibetrag besser, wenn es mehr als 62.040 Euro im Jahr 2014 versteuern muss. Ein Ehepaar mit zwei Kindern fährt ab einem Einkommen von 65.550 Euro mit den Freibeträgen besser, und ein Ehepaar mit drei Kindern ab 70.600 Euro.

Noch ist nichts entschieden, das Finanzministerium prüft noch. Schon jetzt lässt sich aber sagen, dass Schwesigs Vorstoß politisch überaus mutig ist. Wenn sie sich damit durchsetzen sollte, würde folgendes Szenario eintreten: Einer überschaubaren Gruppe von Familien mit einem niedrigen Einkommen würde in der Tat geholfen. Sie würden je Kind 20 Euro mehr im Monat haben. Die große Masse der Kindergeldbezieher würde aber leer ausgehen, weil die anstehende Kindergelderhöhung um wenige Euro im Monat abgeblasen wird.

Und jetzt kommt es: Die Besserverdiener werden aber in jedem Fall entlastet. Die Regierung hat keine Wahl, selbst wenn die Kindergelderhöhung ausgesetzt wird – die Kinderfreibeträge müssen steigen, andernfalls wird die Verfassung verletzt. Eine Klage in Karlsruhe wäre ein Selbstläufer.