Ausflügler vor der Wilhelma: Fahrkarten mit Bus und Bahn werden zum Teil subventioniert. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Bei Exkursionen mit Grundschülern müssen Lehrer bisher händisch Fahrkarten für Bus und Bahn lösen. Zu umständlich, sagen auch Institutionen in Stuttgart und plädieren für die kostenlose Fahrt. In diesem Sommer kommt Bewegung in die Diskussion.

Stuttgart - Eine Woche lang war das Stadtpalais für die Klasse 4b der Grundschule Burgholzhof so etwas wie Schule. Es ging um baukulturelle Bildung. Die Kinder waren Feuer und Flamme, aber hinterher war die Klassenkasse um 160 Euro leichter und die Lehrerin von den Fahrten mit den Öffentlichen erledigt. „Aufsicht führen und täglich vier Gruppen-Tagestickets und eine Viererstempelkarte lösen, während die Kinder auf dem Bahnsteig stehen, das ist eine Herausforderung“, sagt sie.

Baukultur ist Bestandteil des Bildungsplans für Grundschulen und die Sekundarstufe I. Wenig verwunderlich also, dass die Veranstaltung der Stadtbau-Akademie im Stadtpalais von Lehrern stark nachgefragt wird: „Kurz nach dem Start lagen uns schon 15 Bewerbungen vor“, sagt Silvia Gebel, die Leiterin des Bereichs Bildung und Vermittlung. Manche Schulklassen würden sogar zu Fuß kommen.

„Wir haben in Stuttgart zig tolle außerschulische Bildungs- und Betreuungsangebote, aber nach wie vor Hürden, die die Teilnahme behindern“, sagt Silke Schmidt-Dencker, die Geschäftsführerin des Fördervereins Kinderfreundliches Stuttgart. Seit 2004 engagiert sich der Verein parteiunabhängig für Kinder und Jugendliche, beteiligt sich an der Kids- und Junior Week, vermittelt Theaterpaten und Profimusiker an Kinder, die sonst keinen Zugang zur Hochkultur hätten, bietet Verkehrssicherheitstraining an, aber auch den Verleih von Fahrrädern an Schulklassen. „Uns gegenüber wird oft darüber geklagt, dass das Lösen von Fahrkarten umständlich ist. Warum macht man’s nicht wie in Berlin? Dort kann man eine Gruppe tags zuvor anmelden und bekommt dann ein Ticket für alle.“

Tarifneuordnung zum Anlass nehmen

Das jetzige System in Stuttgart hält Schmidt-Dencker für „unausgegoren“. Sie setzt auf die VVS-Tarifreform, die im Gemeinderat an diesem Donnerstag diskutiert werden soll. „Mit dieser Reform muss man Verbesserungen für Kinder schaffen, das wäre ein großer Schritt in Richtung Kinder- und Familienfreundlichkeit.“

Politisch haben die Grünen im Gemeinderat schon den ersten Schritt getan. Im Rahmen der Haushaltsplanberatungen forderten sie „Freie Fahrt für Schülergruppen“ mit dem ÖPNV zu Bildungsangeboten, nun ist das Referat für Jugend und Bildung damit beauftragt, die Fäden aufzunehmen und zusammenzuführen. Das ist kompliziert, weil der Verkehrs- und Tarifverbund VVS, die Stuttgarter Straßenbahnen AG SSB, das Sozialamt der Stadt, die Schulverwaltung, das Jobcenter, die umliegenden Landkreise und der Bund bei Preisgestaltung, Kostenbefreiung und Zuschüssen mitspielen.

Um abschätzen zu können, um welche Summen es sich bei der freien Fahrt für Schülergruppen handelt, ist nun Schulbürgermeisterin Isabel Fezer gefordert. Sie soll noch in diesem Jahr einen Bericht vorlegen. Das Schulverwaltungsamt habe bereits eine Abfrage vorbereitet, teilt die Referentin von Fezer, Heike Schmid, mit: „Angesichts des komplizierten Leistungsgefüges muss das Schulverwaltungsamt einen Vorschlag erarbeiten, der einerseits nicht in diese Strukturen greift, andererseits durch die Stadt finanziert werden kann.“

Stadt fördert Ausflüge

Nicht immer hakt es allein an den Kosten. Momentan fahren Kinder bis zum sechsten Geburtstag umsonst, für Schüler der weiterführenden Schulen gibt es das School-Abo für Bus und Bahn. Grundschüler haben in der Regel kein School-Abo, weil der Schulweg kürzer ist. Bonuscardberechtigte Familien könnten sich das Geld für Fahrtkosten aus schulischen Gründen übers Jobcenter als Leistung für Bildung und Teilhabe (BuT) zurückzuholen, jedoch werden nach Erfahrung des Geschäftsführenden Schulleiters der Grundschulen, Uwe Heilek, „viele Mittel nicht abgerufen, der Gang zum Jobcenter scheint schon zu viel“. Darüber hinaus stellt die Stadt allen Schulen für jedes Kind mit Bonuscard jährlich 50 Euro zur Verfügung, für Ganztagsschüler mit Bonuscard 100 Euro jährlich. „Aus diesem Budget können Schulen die Kosten für Klassenfahrten bestreiten“, sagt Bruno Plesch vom Schulverwaltungsamt. Seit 2008 dürfen auf Beschluss des Gemeinderats auch Fahrten für Kinder aus finanzschwachen Haushalten bezahlt werden, der besseren Teilhabe wegen.

Jede Leistung einzeln abrechnen

Die Stadt lässt sich dieses Budget jährlich 876 000 Euro kosten. Die Schulen können das Geld, das sie ausgegeben haben, beim Jobcenter wieder als BuT-Leistung für Bonuscard-Kinder refinanzieren. Doch das Abrechnungsverfahren ist kompliziert: Jede Leistung, ob für Mittagessen, Fahrten, Schulbedarf oder Lernförderung, muss einzeln abgerechnet werden. Das führe dazu, dass im Vergleich zum Vorjahr „pro Kind weniger Kosten geltend gemacht worden sind“, sagt Abteilungsleiter Thorsten Wieland. Die BuT-Leistungen für Fahrten mit Öffentlichen seien innerhalb eines Jahres von 34 000 Euro auf 26 000 Euro gesunken.

Auch die Grundschule Burgholzhof wird die Kosten für Besuche im Stadtpalais über die Klassenkasse abwickeln. „Bei uns kommen pro Schuljahr 9000 Fahrten zusammen. Die Refinanzierung übers Jobcenter ist ein Verwaltungsakt. Freie Fahrt für Grundschüler wäre großartig für uns“, sagt die Rektorin Inga von Zabern.