Der Spielplatz an der Bebelstraße im Stuttgarter Westen hat viele große Bäume, worauf Kinder und Eltern Wert legen Foto: Leif Piechowski

Bedrohliche Situationen in der Innenstadt, fehlender Bewegungsspielraum und lauter Autoverkehr – das alles finden 600 befragte Kinder bis zum Alter von 15 Jahren nicht so schön an Stuttgart. OB Fritz Kuhn und die Kinderbeauftragte Maria Haller-Kindler haben ein Konzeption vorgelegt, was sich alles ändern muss.

Stuttgart - „Kinder sind für die Zukunft einer Stadt elementar. Es ist unser Ziel, dass sie sich hier wohl fühlen können und Heimat erfahren.“ So umreißt OB Fritz Kuhn die Fernziele, die er verfolgt und wofür er gemeinsam mit der Kinderbeauftragten Maria Haller-Kindler am Montag ein Konzept sowie Handlungsempfehlungen vorgelegt hat.

Überraschend – auch für Fritz Kuhn – besteht insbesondere bei Sicherheit und Sauberkeit Handlungsbedarf. Deshalb verweist er explizit darauf, dass die Rangliste der Handlungsfelder „Ergebnis des Beteiligungsverfahrens von Kindern“ ist. Beispielhaft ist die Innenstadt genannt, wo sich Kinder durch ältere Jugendliche oder Betrunkene bedroht fühlen, wenn sie allein unterwegs sind, aber auch durch stark befahrene Straßen. „Wir schlagen unter anderem Stadtteilrundgänge mit Präventionsbeamten der Polizei vor, bei denen die Kinder Orte benennen können, wo es ihnen mulmig ist“, sagt Maria Haller-Kindler.

Acht weitere Themenfelder sind von 600 Kindern im Alter zwischen sechs und 13 Jahren bei Befragungen an Schulen, in der Kinderspielstadt Stutengarten oder im Rahmen der Zukunftswerkstatt im Rathaus als wesentlich bezeichnet worden. Familien sind bei Veranstaltungen oder in Familienzentren nach ihren Prioritäten für ihre Kinder im Alter zwischen Null und sechs Jahren befragt worden, eingebunden waren pädagogische Fachkräfte und Interessengruppen.

Mehr Wasser, bessere Luft und mehr autofreie Tage

An zweiter Stelle findet sich das Thema Umwelt und Natur. Felder, Wald und Wiesen, Bäume und Parks in und um Stuttgart benennen die beteiligten Kinder als positiv, gewünscht sind mehr Wasser, bessere Luft und mehr autofreie Tage in der Stadt. Bewegung und Sport ist den Kindern so wichtig, dass das Thema Platz drei einnimmt. Mehr Bolzplätze, speziell für Kinder ab zehn Jahren, Sportstätten, die auch für Ärmere zugänglich sind, weniger Lärm in der Stadt – das sind die vorgebrachten Wünsche. Deshalb schlägt die Stadtverwaltung unter anderem den Ausbau der Bewegungsangebote bei der Ganztagesbetreuung in Schule und Kita vor und will im Rahmen der Stadtplanung der Bewegung mehr Raum zugestehen.

„Mir fehlt ein Klettergerüst auf dem Spielplatz, und mein Nachbar schreit mich immer an, wenn ich zu laut bin“ – der Satz spricht Bände. Deshalb wollen Kuhn und Haller-Kindler Defizite die Aufenthaltsqualität für Kinder im Wohnumfeld verbessern. Weitere Vorschläge gibt’s zu den Themen Teilhabe, Verkehr/Mobilität, Kinderbeteiligung, Schule/Kitas und Kultur.

74 000 Kinder unter 15 Jahren leben in Stuttgart

74 000 Kinder unter 15 Jahren leben zurzeit in Stuttgart, die Zahl der Geburten und der Kinder bei den Einschulungen steigt seit wenigen Jahren wieder an. Wolfgang Schuster hat mit der Ernennung der Kinderbeauftragten Roswitha Wenzl, dem Kinderbüro und der Einsetzung von Kinderbeauftragten in den Ämtern einen Anfang gemacht. Wenzls Nachfolgerin Maria Haller-Kindler und Fritz Kuhn gehen mit der Konzeption einen Schritt weiter: „Wir fragen nach den Defiziten“, sagt Kuhn. Diese ließen sich aus bestehenden Plänen, zum Beispiel für Spielflächen oder Sozialdaten, ableiten, „und wo es keine Pläne gibt, müssen wir eine Quantifizierung schaffen.“

Der Jugendhilfeausschuss soll am 22. Juni die Konzeption beraten, der Gemeinderat am 16. Juli darüber abstimmen, dass die Empfehlungen von den beteiligten und zuständigen Ämtern „priorisiert anzugehen“ sind. Die Kinderbeauftragte soll ein jährliches Budget von 20 000 Euro bekommen für eigene Maßnahmen. Kuhn: „Wir werden nach dem Gemeinderatsbeschluss das erste Meeting mit den Amtsleitern haben.“