Haltet sie fest: Kita-Fachkräfte sind nicht nur in Stuttgart rar. Foto: dpa/Jan-Philipp Strobel

Ein überproportionaler Zuwachs an Kindern und eine hohe Zahl ausscheidender Fachkräfte werden den Konkurrenzkampf Stuttgarter Eltern um Kitaplätze verschärfen. Der Gesamtelternbeirat der städtischen Kitas kritisiert Stuttgarts Bemühungen um Fachkräfte als nicht ausreichend. Die Stadt kontert.

Stuttgart - In Stuttgart wird es künftig noch schwieriger, einen günstigen Kitaplatz zu bekommen. Davon geht die Stuttgarter Jugendamtschefin Susanne Heynen aus. Der Grund dafür sind zwei gegenläufige Entwicklungen: zum einen ein vom Statischen Amt der Stadt erwarteter überproportionaler Zuwachs an Kindern; die Rede ist von zehn Prozent mehr. Zum anderen die hohe Ausscheiderate der Fachkräfte, da die Babyboomer der 60er Jahre das Rentenalter erreichen. Daher dringt der Gesamtelternbeirat (GEB) der städtischen Kitas in Stuttgart auf eine Fachkräfteoffensive.

„Die Stuttgarter Elternschaft und wir als Gesamtelternbeirat fordern seit Monaten verstärkte Anstrengungen in den Erhalt und die Neugewinnung von Fachkräften in der Kinderbetreuung“, sagt Gabriele Walz, ein Vorstandsmitglied des GEB, unserer Zeitung. Das habe man in Podiumsdiskussionen, Schreiben und Gesprächen mit der Stadtverwaltung und Kommunalpolitikern deutlich gemacht. „Aus unserer Sicht ist eine Fachkräfteoffensive mehr als nötig und überfällig“, so Walz. Ein Konzept dazu habe Bürgermeisterin Isabel Fezer (FDP) zwar vorgelegt. Doch beim diesjährigen Doppelhaushalt seien „die zarten Bestrebungen des Jugendamts, mehr Mittel für die Beseitigung des Fachkräftemangels zu bekommen, direkt in der untersten Schublade verschwunden“, kritisiert Walz. Das sei für die Eltern „sehr enttäuschend – wir fragen uns, wie soll Bildungsgerechtigkeit und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Stadt sichergestellt werden, wenn nicht in aktuelle und zukünftige Fachkräfte, an denen jetzt schon bereichsübergreifend ein akuter Mangel besteht, investiert wird.“

In Stuttgart fehlen rund 3000 Kitaplätze

Tatsächlich fehlen derzeit trotz stetiger Ausbaubemühungen der Stadt rund 3000 Kitaplätze, Tendenz steigend. Und wegen des Erziehermangels können Hunderte vorhandener Kitaplätze nicht besetzt werden. Für einen bedarfsgerechten Ausbau sind laut Stadt 1250 Fachkräfte in den Häusern nötig. Zudem sind allein beim städtischen Kitaträger durchschnittlich 200 Stellen unbesetzt.

Dennoch weist die Stadt die Kritik der Eltern zurück. Deren Annahme treffe nicht zu, sagt Fezers Referentin Barbara Krämer. Von „zarten Bestrebungen“ des Jugendamts könne keine Rede sein. Und die seien auch nicht „in der untersten Schublade“ verschwunden: „Wir haben ganz im Gegenteil eine umfangreiche Mitteilungsvorlage zum Haushaltsplan vorgelegt, deren Inhalte in Teilen bereits im Haushaltsentwurf der Verwaltung enthalten war.“ So sei die Verlängerung der Zulage Tarif plus von monatlich 100 Euro bis zum Jahr 2021 bereits eingeplant gewesen und vom Gemeinderat nun bis zum Jahr 2024 verlängert worden. Auch eine personelle Verstärkung des Jugendamts bei der Ausbildung sei bereits eingeplant gewesen. Ebenso das Bereitstellen von 100 000 Euro für die Personalgewinnung im Ausland, auch für freie Träger.

Zudem würden die Azubis der praxisintegrierten Ausbildung (Pia) nicht mehr auf den Personalschlüssel angerechnet. Auch die Pia-Plätze seien aufgestockt worden: von 236 im Jahr 2017/18 auf aktuell 305. Das entspreche einem Zuwachs von rund 29 Prozent. Und, so Krämer: „Es ist beabsichtigt, die Pia-Ausbildung kurz- bis mittelfristig auch für Kinderpflegerinnen anzubieten.“

Stadt: Fachkräftegewinnung hat oberste Priorität

Pia-Azubis verdienen von Anfang an Geld. Um auch die klassische Fachschulausbildung für Erzieher attraktiver zu machen, hatte das Jugendamt vorgeschlagen, ihnen Stipendien zu gewähren. Diesen Vorschlag greife nun das Land auf und finanziere ihn voraussichtlich auch, so Krämer. Zudem schöpfe das Jugendamt alle Maßnahmen der Fachkräfteoffensive des Bundes im Rahmen des „Gute-Kita-Gesetzes“ aus. Krämer versichert: „Das Thema Fachkräftegewinnung hat sowohl beim Jugendamt als auch in der gesamten Stadtverwaltung oberste Priorität, wobei das Jugendamt hier eine treibende Kraft ist.“

Auch Fezer ist „sehr zufrieden“ mit dem Ergebnis der Etatberatungen. Im nächsten Doppelhaushalt werden laut Stadt 535 zusätzliche Plätze für Krippenkinder und 880 Ganztagsplätze für die größeren geschaffen. Das lässt sich Stuttgart 39,6 Millionen Euro kosten. Plus jährliche Betriebskosten für die zusätzlichen Plätze von 14,9 Millionen Euro; davon gehen 13,2 Millionen an freie Kitaträger und Betriebskitas. Mehr Geld erhalten auch die freien Kitaträger, die maßgeblich am Ausbau der Kitaplätze beteiligt sind. Sie bekommen vom Jahr 2021 an 95 Prozent ihrer Personalkosten. Pro Jahr lässt sich das die Stadt 4,3 Millionen Euro kosten. Zum weiteren Ausbau der Kinderbetreuung werden 53 neue Stellen vorgesehen. Bereits im Vorgriff wurden 171 Stellen geschaffen, davon 100 für die Betreuung der Schüler in den Ganztagsschulen. Das wird die Eltern freuen. Denn es sei ihnen „schleierhaft, wie die Stadt den Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung in der Grundschule erfüllen will“, so die Gesamtelternbeirätin Gabriele Walz.

Dem Koalitionsvertrag der Bundesregierung zufolge soll bis zum Jahr 2025 ein bundesweiter Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung für Grundschüler eingeführt werden. Darin sieht Bürgermeisterin Isabel Fezer für Stuttgart jedoch keine größere Herausforderung: „Faktisch haben wir das heute schon.“