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Rechtsanspruch auf Krippenplatz zwingt zum Ausbau - Bund unterstützt Modellprojekt.

Stuttgart - Die Stadt will die Betreuung von Kindern bei Tagesmüttern ausbauen. Dafür gibt es Projektmittel vom Bundesfamilienministerium. Hintergrund ist der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kleinkinder, der bis zum Jahr 2013 umgesetzt werden soll.

Einmalig gibt es vom Bund jeweils 100.000 Euro für Städte, die den Ausbau der Kindertagespflege im Rahmen eines Modellprojekts angehen. Es soll im Mai 2011 umgesetzt sein. Außer Stuttgart beteiligen sich 161 weitere Städte daran.

Laut Statistischem Landesamt sind in Stuttgart zum Stichtag 1. März 2009 insgesamt 767 Kinder von Tagesmüttern betreut worden. Etwa zwei Drittel der Kinder waren jünger als drei, die anderen Kinder zwischen drei und zwölf Jahre alt.

Die Tageseltern - zum Stichtag gab es 398 qualifizierte Kräfte - können sich so während der eigenen Elternzeit durch die Aufnahme weiterer Kinder etwas hinzuverdienen. Dabei gilt in der Regel ein ortsüblicher Tarif, der in der Region Stuttgart bei bis zu sieben Euro pro Kind und Stunde liegt. Die meisten Eltern nehmen bis zu drei Kinder in ihrer eigenen Wohnung auf.

Schon im Jahr 2005 hat die Stadt den Bereich der Tagespflege an die freien Träger Caritasverband und Tagesmütterverein übertragen. Seitdem obliegt ihnen die Qualifizierung und die Qualitätskontrolle. "Wir bieten Ausbildung und Fortbildung an, wir begutachten die Räume und prüfen die Eignung der Eltern, die sich für die Tagespflege bewerben", sagt Sigrid Stein von der Caritas. Eine Tagesmutter darf nicht mehr als fünf Kinder aufnehmen, tun sich zwei oder drei Pflegepersonen zusammen, sind maximal zwölf Kinder erlaubt.

Flexible Betreuungszeiten sind wichtig

Anne-Kathrein und Gaspare Paolucci haben selbst drei Kinder und im vergangenen Dezember eine Großpflegestelle eröffnet. Das heißt: Beide betreuen gemeinsam neun Kinder. Beide bringen bereits Qualifikationen mit: Sie ist Grundschullehrerin, er ist Krankenpfleger und Erzieher. Sie haben eine ehemalige Cannstatter Eckkneipe gemietet, mit großzügiger finanzieller Unterstützung ihres Vermieters umgebaut und so gegenüber ihrer eigenen Mietwohnung Verhältnisse geschaffen, in denen Kinder eine familientypische Wohnsituation vorfinden mit zahlreichen Angeboten zum Spielen.

"Die meisten Eltern haben zuvor ohne Erfolg einen Kita- oder Krippenplatz gesucht", sagt Anne-Katrein Paolucci. Was Berufstätigen entgegenkommt, sind flexible Betreuungszeiten. Zwar müssen sie sich zwischen Vollzeit- oder Teilzeitpflege entscheiden, aber sie können ihr Kind auch erst um 19.30 Uhr holen oder um 7 Uhr bringen.

Solche Angebote können sich nicht alle Eltern leisten. Für eine Vollzeitpflegestelle, also maximal 160 Stunden pro Monat, müssen sie bis zu 800 Euro bezahlen, ein Teilzeitplatz kostet 400 Euro. "Knapper können wir kaum kalkulieren", sagt Gaspare Paolucci. Er und seine Frau müssen aus den Gebühren das Essen für die Kinder, die Miete für die Räume und ihren eigenen Lebensunterhalt bestreiten, sie müssen die Urlaubszeiten und unbelegte Plätze damit abdecken, wenn eines der Kinder überraschend doch einen Platz in der Kita bekommt. "Das Einkommen läuft auf das eines Krankenpflegers hinaus", sagt er.

Die Träger sind deshalb schon bei der Stadt vorstellig geworden und plädieren dafür, sowohl die Pflegeeltern als auch die Qualifizierungsleistungen finanziell besser als bisher zu unterstützen, zum Beispiel durch Mietübernahmen und dadurch, die Betreuungskosten bei Tagesmüttern jenen in Kitas gleichzustellen. Bisher übernimmt die Stadt für Bedürftige nur einen Stundensatz von 3,90 Euro. Das hat zur Folge, dass Kinder von Sozialfällen ungern von Tagespflegeeltern aufgenommen werden.

Das ist nicht im Sinne der Stadt. Sie muss den Beschluss der Bundesregierung von 2007 erfüllen und von 2013 an für 35 Prozent der Kinder unter drei Jahren einen Krippen- oder Tagespflegeplatz anbieten. Zurzeit ist nur ein Versorgungsgrad von 26 Prozent nachgewiesen. 3300 Kinder warten auf einen Platz. Das Jugendamt geht davon aus, dass die Zahl höher ausfallen könnte und der Bedarf erst bei einem Versorgungsgrad von 50 Prozent gedeckt sein wird.