Der Personalmangel blockiert in Stuttgart 520 Plätze in städtischen Kitas. Foto: Lg/Zweygarth

Mehr als 3500 Kinder auf der Warteliste von Kitas sind auch ein Resultat fehlender Erzieherinnen. SPD- und Grünen-Stadträte fordern nun ein Stuttgarter Konzept zur Personalgewinnung.

Stuttgart - Der jüngste Jahresbericht der Stadt zur Kinderbetreuung hatte es in sich: Trotz massiven Kita-Ausbaus stehen – seit Jahren unverändert – 3500 Stuttgarter Kinder unter drei Jahren auf den Wartelisten. Die Zahl der Kinder mit einem Rechtsanspruch auf Betreuung steigt, die Bereitschaft der Eltern zu einer Klage gegen die Stadt auch. Gleichzeitig können derzeit 520 Plätze nicht belegt werden, weil die Stadt zu wenig Fachpersonal finden kann. Die Fraktionen der SPD und der Grünen haben daraus Konsequenzen gezogen und fordern nun ein „trägerübergreifendes Bündnis für Kinderbetreuung“.

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Die weitestgehende Forderung der Kommunalpolitiker ist die nach einem Personalgewinnungskonzept, an dem sich freie, kirchliche und städtische Träger gemeinsam beteiligen sollen. Außerdem unterstützen beide Fraktionen Vorschläge der Evangelischen Kirchenpflege zum Personalausbau, dem sich auch andere Träger angeschlossen hätten. Nun fordern die Fraktionen, die Vorschläge in einem „angemessenen Rahmen“ zu erörtern.

Für Stadträte ist Zusammenarbeit zwingend

„Insbesondere der Personalmangel bremst den Platzausbau in Stuttgart, die theoretische Verfügbarkeit eines Kita-Platzes allein hilft niemandem weiter“, sagt Judith Vowinkel, die jugendpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. Es sei nun Aufgabe der Verwaltung, zu einem Bündnis für Kinderbetreuung einzuladen „mit dem Ziel, mehr Fachkräfte zu gewinnen; wir müssen da einfach zusammenarbeiten, wenn wir beim Ausbau vorankommen wollen“, so Vowinkel.

Gabriele Nuber-Schöllhammer (Grüne) sieht es als notwendig an, „mehr als bisher auf die freien Träger zu hören, zumal diese einen großen Teil zum Platzangebot beisteuern“. Die Evangelische Kirchenkreissynode hat bereits Anfang März beschlossen, sich an einem Kita-Bündnis zu beteiligen, sollte dieses zustande kommen. 120 Einrichtungen mit rund 5500 Plätzen bietet die Evangelische Kirchenpflege, auch sie muss wegen der zunehmenden Berufstätigkeit von Eltern mehr und mehr Kitas ganztags öffnen und braucht umso mehr Personal.

Mehr Zuschüsse für Pias gefordert

„Eine der sofort umsetzbaren Maßnahmen ist es, die Zahl der Erzieherinnen in der praxisintegrierten Ausbildung (Pia) zu erhöhen“, erläutert Jörg Schulze-Gronemeyer, der Abteilungsleiter für Jugend und Soziales bei der Kirchenpflege. Allein im vergangenen Jahr hatten die evangelischen Einrichtungen 49 Pias ausgebildet, 30 zusätzliche könnten aufgenommen werden. Ein Hemmnis ist, dass Pias zu 25 Prozent als vollwertige Fachkraft gelten. „In der Praxis bedeutet das, dass eine der Fachkräfte in der Einrichtung von 100 auf 75 Prozent reduzieren muss, da sonst der Stellenschlüssel, der von der Stadt gefördert wird, überschritten ist“, so Schulze-Gronemeyer. Die Förderbedingungen müssten aus seiner Sicht „schnellstmöglich verändert werden, so dass im September 2018 der Ausbildungsbeginn für 30 weitere Pias möglich ist“.

Grüne und SPD unterstützen diese Änderung der Förderrichtlinien. Judith Vowinkel fügt selbstkritisch hinzu, dass man versäumt habe, diesen Vorschlag noch vor den Haushaltsplanberatungen einzubringen. Der nun eingebrachte Antrag solle die Sache nun beschleunigen.

Die von der Verwaltung angekündigte Innovationswerkstatt soll den „angemessenen Rahmen“ für Gespräche bilden. Allerdings ist diese Ankündigung schon rund ein Jahr alt, ohne dass es bisher zu einem Treffen gekommen wäre. Dort hätte die Evangelische Kirchenpflege gern auch weitere Vorschläge eingebracht, zum Beispiel ein gemeinsames Personalgewinnungskonzept.

Fraktionen wollen Anreize und Entlastung fürs Personal

Die SPD und die Grünen sehen weitere Möglichkeiten, den Personalengpass zeitnah zu mildern. In ihrem Antrag an die Stadtverwaltung schlagen sie „gezielte Maßnahmen“ vor, um die Erhöhung der Arbeitszeit für Teilzeitkräfte attraktiv zu machen. Außerdem kommt, wie schon im Zusammenhang mit dem Personalmangel in der Krankenpflege, die Forderung nach Personalwohnungen auf, zumal der Wohnheimbau in Stuttgart bisher keine Renaissance erlebt hat. Für die Personalentwicklung fordern die Stadträte den Ausbau der Fortbildungen für Erzieherinnen, generell aber die Entlastung des Fachpersonals bei Verwaltungstätigkeiten. Im pädagogischen Aufgabenbereich sei die Unterstützung des Personals durch „innovative Maßnahmen“ möglich, „beispielsweise durch Eltern“.