Der Fachkräftemangel in Kitas führt immer öfter zur Einschränkung von Betreuungszeiten. Eltern sind zermürbt, die Fraktionen im Gemeinderat kompromissbereit.
Allein mit Nachwuchskräften ist die Lücke in den Reihen der Erzieherinnen und Erzieher nicht zu schließen. Das machen Träger, Kommunen und Verbände deutlich. Was Eltern und die Fraktionen des Stuttgarter Gemeinderats nun fordern.
Die Eltern „Angesichts des seit Jahren anhaltenden Fachkräftemangels finden wir es bemerkenswert, dass die Entlastung von fachfremden nicht pädagogischen Tätigkeiten unberücksichtigt bleibt“, kritisiert der Gesamtelternbeirat (GEB) der städtischen Kitas anlässlich der laufenden Tarifverhandlungen. „Dabei könnte deren Einsatz kurzfristig pädagogische Kapazitäten freisetzen. Wir verstehen den Frust über die Arbeitsbedingungen und die geringe Wertschätzung des Berufs der Erzieherinnen. Aber unsere Kinder brauchen die offenen Kitas, die verlässliche Tagesstruktur, den täglichen Umgang mit Gleichaltrigen und die frühkindliche Bildung! Das gilt auch für die Familien!“
Am Ende der Möglichkeiten
Die Grünen „Uns ist die Qualität frühkindlicher Bildung und Betreuung sehr wichtig, aber die Situation verschärft sich deutlich. Wir müssen also über alles reden. Eine geschlossene Kita ist die schlechteste Form der Betreuung“, sagt Vittorio Lazaridis, Sprecher der Grünen-Fraktion im Jugendhilfeausschuss. Erleichterte Quereinstiege, Angebote an Arbeitskräfte, die sich wegen der technischen Transformation in den Betrieben umorientieren müssen, mehr Praxisintegrierte Ausbildung, mehr Schulplätze, größere Gruppen, multiprofessionelle Teams – „es wird über vieles diskutiert, nicht zuletzt auch deshalb, weil die Eltern von Schließungen zermürbt sind.“
Die CDU „Wir haben mit Praxisintegrierter Ausbildung und höherer Vergütung die Attraktivität des Berufs gesteigert, doch jetzt sind wir am Ende unserer Möglichkeiten angelangt. Es wird wohl nichts anderes übrig bleiben, als Personal in diesem Bereich zu gewinnen, das keine pädagogische Ausbildung, aber trotzdem ein Händchen und die Gabe für den Umgang mit Kindern hat“, sagt Iris Ripsam. „Die Absenkung der Fachkraftquote auf 80 Prozent sollte bis auf Weiteres aufrechterhalten bleiben. Grundsätzlich sind Verwaltungskräfte in Kitas denkbar.“
Bildung darf nicht zu kurz kommen
Die SPD „Hier liegt ganz klar ein Zielkonflikt zwischen der Qualität frühkindlicher Bildung und dem Anspruch aller Kinder auf einen Kitaplatz vor. In Anbetracht des eklatanten Fachkräftemangels stehen wir dem Einsatz von Nichtfachkräften zur Entlastung der vorhandenen Fachkräfte aufgeschlossen gegenüber“, sagt Jasmin Meergans. Wichtig sei, dass die Bildungszeit nicht zu kurz komme. „Die sogenannten Betreuungszeiten sollten sich daher im Wesentlichen auf die Randzeiten beschränken. Und wir müssen attraktive Qualifizierungsangebote für Nichtfachkräfte schaffen, denn dieses Personal zu gewinnen wird nicht leicht sein.“
Freie Wähler „ In Stuttgart fehlen seit Jahren nahezu konstant rund 2500 Plätze in der Kinderbetreuung. Wir müssen neue Wege gehen und können uns vorstellen, Bildung und Betreuung zu trennen, die auf 80 Prozent abgesenkte Fachkraftquote bis auf Weiteres beizubehalten und zusätzliche Kräfte für fachfremde Tätigkeiten zu beschäftigen. Ferner können wir uns größere Kitagruppen für Drei- bis Sechsjährige vorstellen, und wir sollten Platz-Sharing etablieren“, sagt Stadtrat Jörg Sailer.
Teamassistenzen sind schon beantragt
Die Fraktionsgemeinschaft Puls „Wir begrüßen die Diskussion neuer Ideen und Wege zur Milderung des Fachkräftemangels sowie zur Entlastung der vorhandenen Fachkräfte. Die Unterscheidung zwischen Betreuungs- und Bildungszeiten empfinden wir als eine spannende Idee, allerdings muss die Teilnahme an der Bildungszeit für alle Kitakinder gewährleistet sein, Betreuungszeiten sollten zu Randzeiten stattfinden. Zum Schutz vor erschöpfungsbedingten Erkrankungen sollte weiterhin an der Absenkung der Fachkraftquote festgehalten werden. Wir haben bereits im vergangenen Herbst die Aufstockung von Personal in der Kinderbetreuung durch Teamassistenzen beantragt“, teilt die Jugendpolitische Sprecherin von Puls, Verena Hübsch, mit.