Deutlich höhere Gebühren für die Kitas – das ruft Proteste hervor. Foto: factum/Granville

Die Gemeinde verlangt von September an deutlich mehr für die Kitabetreuung. Die Eltern protestieren, in einer Bürgersammlung will das Rathaus nun die neue Systematik erklären.

Hemmingen - Die Idee hat Charme. Man vereinfache die Gebühren für die Kinderbetreuung auf wenige Grundsätze. Alter der Kinder, Dauer der Betreuung, Mittagessen ja oder nein. Doch die Vereinfachung ist mit der Wirklichkeit nicht vereinbar. Das Gebührensystem hat sich in der Vergangenheit immer stärker ausdifferenziert. Im Hemminger Rathaus will man das System vereinfachen – und erhöht damit auch die Gebühren. Das hat für großen Ärger gesorgt – der auf Facebook artikuliert wird. Mehrfach werden die Gemeinderäte darauf hingewiesen, ihr Mandat von den Eltern zu haben: „Wartet es nur ab, die Rache kommt an der Wahl.“

Tatsächlich werden die Gebühren von September an um zehn Prozent erhöht. Und das Wahlrecht, die Ganztagesbetreuung nur an zwei oder drei Tagen zu nutzen, entfällt. Besonders hart wird die Regelung Eltern treffen, die mehr als ein Kind über drei betreuen lassen. Sie bezahlen knapp 50 Euro mehr im Monat. Allerdings verständigte sich der Gemeinderat darauf, Härten über einen Familienpass abzufedern:

Niemand soll künftig zu stark belastet werden. Wo die Grenze liegt – ob bei einem Plus von 40 Euro, wie zunächst diskutiert, ist offen. In diesen Fällen springt die Gemeinde ein. Der Hemminger Hauptamtsleiter Ralf Kirschner will den Shitstorm auf Facebook nicht überbewerten. „Eine Gebührenerhöhung schlägt immer Wellen“, sagt er. Gleichwohl verhehlt er nicht, dass das Modell des Familienpasses noch nicht angekommen sei. Die Verwaltung hätte dies deutlicher kommunizieren müssen, merkt er selbstkritisch an.

Beratung in öffentlicher Sitzung

Möglicherweise wäre eine interfraktionelle Arbeitsgruppe, wie sie die Ditzinger auf Anregung des Gemeinderats vorab planen, hilfreich gewesen. Die Ditzinger Verwaltung wird auf diese Weise die Veränderungen der Gebührenstruktur „mit einer gewissen politischen Rückkoppelung“ vorbereiten, sagt der Oberbürgermeister Michael Makurath. „Es ist jedoch ein Versuch und das Ergebnis bleibt abzuwarten.“

Andererseits verweist der Hemminger Hauptamtsleiter Ralf Kirschner aber auch darauf, dass die Satzung zweimal öffentlich beraten worden sei. Mangelnde Transparenz will sich die Verwaltung deshalb nicht vorwerfen lassen. Gleichwohl hat das Rathaus inzwischen zu einer Bürgerversammlung eingeladen. Am 27. September will sie abermals darüber informieren. Zu diesem Zeitpunkt hat der Ausschuss getagt, während das abschließende Votum des Gemeinderats über den neuen Familienpass zu diesem Zeitpunkt noch aussteht.

Mehrere Gründe für die Erhöhung

Derweil hat sich der Chef der SPD-Gemeinderatsfraktion, Wolfgang Stehmer, in einen offenen Brief an die Elternbeiräte gewandt. Darin geißelt er die Erhörung als „maßlos und unnötig“. Die zusätzlichen Belastungen bezeichnet er als „sozial ungerecht“, spricht von „blinder Gebührenerhöhungwut“. Zugleich kündigt er für die SPD an, niemandem Erhöhungen um 40  Euro zumuten zu wollen, sondern den Maximalbetrag auf 20 Euro zu begrenzen.

Dass der Bürgermeister Thomas Schäfer (CDU) und seine Verwaltung die Notwendigkeit zur Gebührenerhöhung trotz eines mit 27 Millionen Euro gut gefüllten Sparschweins just zum jetzigen Zeitpunkt sehen, hat mehrere Gründe. Zum einen haben die Hemminger auf das neue Kommunale Haushaltsrecht umgestellt. Dazu ist jede Kommune landesweit verpflichtet, doch die Umstellung erfolgt nicht zum selben Zeitpunkt. Das neue Haushaltsrecht aber zwingt die Kommunen auch die so genannten kalkulatorischen Kosten des laufenden Jahres zu erwirtschaften.

Das bedeutet, dass etwa die Abschreibung für das neue Gebäude in der Hälde kalkuliert und vor allem eben erwirtschaftet werden muss. Das war vorher zwar auch der Fall, konnte aber aus dem Blick geraten – zumal wenn man wie die Hemminger immense Rücklagen hatte: Sie schwammen dank Porsche jahrelang in den Einnahmen aus der Gewerbesteuer. Über Jahrzehnte mussten die Hemminger deshalb nicht auf Pfennig oder Cent schauen. Schäfers Amtsvorgänger Werner Nafz tat dies zwar dennoch immer wieder. Die Kindergartengebühren sanken damals sogar deutlich – ohne sie in schlechteren Zeiten wieder im selben Maße anzuheben. Gleichzeitig gaben die kommunalen Spitzenverbände eine andere Richtung vor: Ihre Empfehlung sieht Jahr für Jahr eine Steigerung vor.