Wie lange die Krippe des Kinderhauses Neuhäuser Bach zu bleibt, ist derzeit noch ungewiss. Foto: Caroline Holowiecki

Weil zu viel Personal fehlt, macht die Krippe des Kinderhauses Neuhäuser Bach zu. Betroffen sind 29 Familien. Eine Mutter erzählt, wie sich die Misere auswirkt.

Erst naschen der Sechsjährige und seine knapp zwei Jahre alte Schwester Kekse, dann wird mit dem Ball durch die Wohnung gekickt. Idyllisches Familienleben in einer Wohnung in Bernhausen. Aber ganz so friedlich ist die Stimmung im Grunde genommen nicht. Die Eltern haben jüngst eine Hiobsbotschaft erhalten. Die Krippe der Kleinen schließt. Künftig wird die Mama ihre Jüngste morgens vor der Arbeit nicht in dieselbe Einrichtung bringen können wie den Großen, sondern quer durch die Stadt nach Bonlanden fahren müssen. „Ich weiß nicht, wie es beruflich weitergeht“, sagt die Frau. Sie hat einen Teilzeitjob als Logopädin im Kreis Reutlingen. Eine Stunde werde sie das Umhergefahre wegen der unterschiedlichen Startzeiten der Einrichtungen allein morgens kosten. „Wir haben hier keine Großeltern“, sagt die 41-Jährige. „Wir brauchen eine Kinderbetreuung.“

Schon seit geraumer Zeit werden in Filderstadt immer wieder Öffnungszeiten in Betreuungseinrichtungen gekürzt, auch die Eheleute aus Bernhausen – der Vater hat einen Vollzeitjob im Kreis Ludwigsburg – waren betroffen, nun aber ist der GAU eingetreten: Die viergruppige Krippe Neuhäuser Bach in Bernhausen wird ganz geschlossen. Schon am 6. Februar wird sie nicht mehr aufgemacht, das haben die Familien bei einem Elternabend am 31. Januar erfahren. Das Personal fehlt. Der viergruppige Kindergarten im Gebäudekomplex bleibt indes geöffnet.

So viele Krippenkinder sind betroffen

Insgesamt 29 Krippenkinder sind betroffen. Die älteren werden im Kindergarten mit den Großen in extra Räumen weiterbetreut, andere sind auf Krippen im Stadtgebiet verteilt worden. „So weit es möglich war, haben wir die Wünsche der Familien berücksichtigt“, sagt Ann-Kathrin Umstadt, die für Kindergärten zuständige Abteilungsleiterin in Filderstadt. Das sei für manche Familien zwar mit Aufwand verbunden, mitunter profitierten sie aber auch von längeren Öffnungszeiten.

Dass die knapp Zweijährige aus Bernhausen nun in Bonlanden betreut werden soll, bringt das Leben ihrer Familie in mehrfacher Hinsicht durcheinander. Organisatorisch ist das Ganze herausfordernd. Und wird das Kleinkind sich so schnell im neuen Umfeld akklimatisieren? „Sie liebt ihre Betreuungserzieher“, sagt die Mutter, nun müsse sie die Tochter aus der gewohnten Umgebung herausnehmen, ohne es ihr erklären zu können. Die Mutter hat für die Eingewöhnung freigenommen. „Ich habe den besten Chef der Welt, der mir den Rücken freihält“, sagt sie. Sie wisse aber nicht, wie andere das machten. Unmut ist mitunter herauszuhören bei der 41-Jährigen. „Wir zahlen so viel Gebühren, die auch fleißig abgebucht werden.“

Viele Stellen seien unbesetzt

Ann-Kathrin Umstadt hat Verständnis für den Ärger vieler Eltern. „Den verstehe ich komplett, es ist auch für uns nicht einfach. Deswegen haben wir uns auch extern beraten lassen.“ Fakt sei: Im Kinderhaus Neuhäuser Bach sei derzeit etwa die Hälfte der Stellen unbesetzt. Dies entspreche mehr als zehn Stellen. Für die Betriebserlaubnis von Krippen muss mehr Personal pro Kindergruppe vor Ort sein.

Ann-Kathrin Umstadt stellt klar: Unter diesen Umständen hätte man die Krippe nicht weiterführen dürfen. Wie lange sie zu bleibt, kann sie aktuell nicht sagen. Oberstes Ziel sei es, Personal zu gewinnen und die Krippe irgendwann wieder zu eröffnen; einen Zeitpunkt zu nennen, sei indes unmöglich. „Wir werden alles tun, um mehr Personal zu finden“, betont sie.

Das sagt der Gesamtelternbeirat dazu

Stéphane Lacalmette, der Vorsitzende des Gesamtelternbeirats für die Kitas in Filderstadt, war auch bei dem Elternabend. Er spricht von Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten. Die Lösung, die gefunden worden sei, finde er gut, wenngleich sie für manche Familien mehr Aufwand bedeute. Ob es möglicherweise auch Spannungen im Krippenteam gegeben habe – die Mutter aus Bernhausen will das wahrgenommen haben –, kommentieren sowohl Ann-Kathrin Umstadt als auch er nicht. „Es gab verschiedene Gründe, und es ist gut, wenn das intern bleibt“, sagt Stéphane Lacalmette. Er resümiert: „Die Situation ist schwierig, aber die Stadtverwaltung ist bemüht.“

Der Mutter aus Bernhausen hilft das alles vermutlich wenig. Es funktioniere hinten und vorne nicht mehr. Der Tag der Familie beginne morgens um 5 Uhr, damit überhaupt alles zu schaffen sei. Die Frau wirkt kraftlos. Sie sagt: „Ich habe keine Reserve mehr.“

Filderstadt in der Zwickmühle

Personalmangel
In Filderstadt fehlt massiv Erziehungspersonal. Ann-Kathrin Umstadt, die zuständige Abteilungsleiterin im Rathaus, spricht von mehreren Tausend Prozent Stellenanteilen, die allein in den 14 städtischen Einrichtungen unbesetzt seien. Im September 2022 hatte es geheißen, dass etwa 24 Vollzeitellen nicht besetzt seien, auch gebe es zusätzliche Vakanzen durch längere Erkrankungen oder Schwangerschaften. 30 Erziehungskräfte hätten im vergangenen Kindergartenjahr gekündigt, hieß es damals. Bewerbungen, ob für Ausbildungen oder feste Jobs, kämen indes immer weniger. Gleichzeitig steigt in Filderstadt die Zahl der Kinder – durch Geburten und die Flüchtlingssituation.

Rechtsanspruch
Die Krux: Personal fehlt, Plätze fehlen aber auch. „Wir kommen an der Wahrheit nicht vorbei, dass wir den Rechtsanspruch im Krippenbereich nicht erfüllen können und im Ü3-Bereich nicht immer gleich, wenn die Eltern es sich wünschen“, sagte der zuständige Bürgermeister Jens Theobaldt im Herbst. Beispiel U3: Anfang September 2022 standen etwa 175 Kinder auf der Warteliste. Die Anzahl der fehlenden Plätze wird sich laut Verwaltung bis Juli 2023 auf rund 255 Kinder erhöhen.