„Das Klötzchen gehört mir!“ Kinder lernen beim Spiel. Foto: Oksana Kuzmina - stock.adobe.com

Wie lernen Kinder beim Spielen, zu teilen? Und wann verteidigen sie ihren Besitz bei spielerischen Wettkämpfen? Forscher haben dies nun untersucht. Die Ergebnisse sind auch für Eltern interessant.

Stuttgart - „Nein, du darfst davon nichts abbekommen!“ Diesen Satz hat wohl jeder als Kind gesagt und zu hören bekommen. Teilen ist eine soziale Fähigkeit, die manche früh lernen und andere nie. Doch möglicherweise beeinflussen Spiele derartige prosoziale Verhaltensweisen: Sind Kinder eher bereit zu teilen, wenn sie gerade miteinander gespielt haben? Verteidigen sie ihren Besitz nach Wettkämpfen eher?

 

Studien mit monatelangen Versuchsansätzen geben Hinweise darauf. Bereits 1994 legten amerikanische Forscher nahe, dass gemeinsames Spielen zu sozialerem Handeln führt, Wettkämpfe dagegen aggressives Verhalten fördern könnte. Wissenschaftler des Leipziger Forschungsinstituts für frühkindliche Entwicklung (LFE) der Universität Leipzig und des Max-Planck-Instituts (MPI) für evolutionäre Anthropologie Leipzig untersuchten nun, ob es auch kurzfristige Effekte gibt: Bestimmt schon eine kurze Spielsituation, wie sich Kinder direkt danach verhalten?

Was passiert, wenn Kinder mit Unbekannten teilen sollen?

Dazu ließen Theo Toppe und seine Kollegen immer zwei vier- bis fünfjährige Kinder gleichzeitig spielen – miteinander, gegeneinander oder nebeneinander. Nach nur fünf Minuten Spielzeit durften die Kinder entscheiden, ob sie zehn Sticker alle für sich nehmen oder einem anderen Kind einige davon abgeben möchten. Besonders spannend daran: Sie sollten mit einem unbekannten Kind teilen, nicht mit dem Spielkameraden. So wollten die Forscher sehen, ob sich allgemein das soziale Verhalten änderte, ohne direkten Zusammenhang zum Spielpartner.

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Tatsächlich zeigte sich, dass Kinder eher bereit waren zu teilen, wenn sie zuvor miteinander und nicht gegeneinander gespielt hatten. Groß war der Effekt allerdings nicht: Nach einem gemeinsamen Spiel gaben die Kinder im Schnitt vier Sticker ab, ebenso wenn sie allein gespielt hatten. Wer gegeneinander angetreten war, trennte sich eher nur von von Stickern. Allerdings sei es nicht verwunderlich, nach einer so kurzen Spielzeit keine großen Unterschiede zu finden, erklärt Theo Toppe. „Wir waren im Grunde genommen sehr streng. Dass wir trotzdem signifikante Effekte gefunden haben, zeigt, dass an den bisherigen Vermutungen etwas dran ist.“

Andere mitspielen lassen

Auffällig ist, dass nach dem gemeinsamen Spiel kein Kind alle Sticker für sich behielt. Das kam in den anderen Gruppen hingegen häufiger vor. Allerdings teilten Kinder nach dem kooperativen Spiel niemals mehr als sechs Sticker, während manche Kinder nach alleinigem oder kompetitivem Spiel sogar nur zwei Stück für sich behielten. Die Autoren vermuten deshalb, dass Kooperation für ein stärkeres Fairness-Gefühl sorgt – und das geht natürlich in beide Richtungen.

In ihrer Studie untersuchten die Forscher nicht nur das Teilen. Sie wollten auch sehen, ob die Kinder eher bereit waren, andere mitspielen zu lassen. Während eines Ballspiels mit einer Handpuppe sollten die Kinder entscheiden, ob eine zweite Puppe mitmachen darf. „Alle Kinder waren extrem offen und inklusiv. Sie ließen die andere Puppe sehr schnell mitspielen“, so Toppe. In zukünftigen Versuchen könnte man die Hürden erhöhen – etwa dass die zweite Puppe das Spiel nicht gut versteht. In solchen Fällen wäre es denkbar, dass Kinder nach einer kooperativen Situation eher bereit sind, die negativen Aspekte in Kauf zu nehmen.

Ab dem dritten Lebensjahr mehr Wettbewerbe

Im Alltag vermischen sich die Spielarten natürlich oft miteinander und wechseln sich häufig ab. Malte Mienert, Entwicklungs- und pädagogischer Psychologe, drückt es so aus: „Kinder spielen und lernen dabei alles, was sie für ihr derzeitiges Leben brauchen, unabhängig von der Spielform.“ Ab dem dritten Lebensjahr nehme der Hang zu Wettbewerben stark zu. Den Trend, den Kindern möglichst niederlagenlose und konfliktfreie Spiele zu bieten, hält Mienert für wenig sinnvoll. „Das empfinden die Kinder eher als langweilig, sie wollen lieber gewinnen.“ Dadurch lernten sie auch, mit schmerzhaften Erfahrungen umzugehen. Sie finden heraus, wie man langfristig Handlungen plant. Und sie bilden eine Art Selbstkonzept: Wie gut bin ich, und wobei will ich unbedingt gut sein? Wo ist es mir weniger wichtig?

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Andere soziale Fähigkeiten lerne man im gemeinsamen Spiel, bestätigt Malte Mienert. „Füreinander einstehen, sich gegenseitig unterstützen, das wird eher durch das Miteinander gefördert.“ Das klassische Mutter-Vater-Kind-Spiel sei ein Beispiel, bei dem die Kinder sich ohne Leistungsdruck entfalten können. Und auch das Alleine-Spielen findet Mienert völlig in Ordnung. „Die Erwachsenen denken manchmal, dass es der größte Wunsch von Kindern ist, immer zusammenzuspielen. Das muss gar nicht so sein.“ Besonders schüchternen Kindern könne es jedoch helfen, Spiele mit klaren Regeln zu spielen – egal, ob mit- oder gegeneinander. Denn dabei gibt nicht ein Kind den Ton an und jeder kann sich einbringen.

Dass das Spielen bei Kindern keine einfache Frage von Kooperation oder Wettkampf ist, weiß auch Toppe. Um klare Schlüsse ziehen zu können, müssen sich die Forscher aber auf eher abstrakte, durchschaubare Szenarien beschränken. Doch Toppe würde gerne tiefer schauen: Spannend ist die Dynamik bei Team-Wettkämpfen, wo Kooperation und Wettkampf eng verwoben sind.

Doch egal ob im Team, allein oder als Duo mit- oder gegeneinander: Welche Spiele für welches Kind interessant und hilfreich sind, finden die Kleinen oft ganz allein heraus.