Winke, winke!: Die Teletubbies gelten als die Pioniere des Baby-TV. Fürs deutsche Fernsehen werden ihre einfachen Sätze synchronisiert. Foto: dpa

Für gestresste Eltern in Serbien ist Baby-TV oft die letzte Rettung, für das Sprachvermögen der Kinder ist es eine Katastrophe. Denn die Sendungen werden nicht synchronisiert. Das hat Folgen fürs Familienleben.

Belgrad - Am Anfang waren die Eltern der heute dreijährigen Maja aus dem serbischen Leskovac noch mächtig stolz. Die ersten deutlich artikulierten Worte, die sie von ihrem Liebling vernahmen, waren auf Englisch. Doch als ihrer vermeintlich polyglotten Tochter erst Monate später mühsam ein „Mama und Papa“ in ihrer Muttersprache über die Lippen kam, suchten sie schließlich doch etwas besorgt einen Logopäden auf.

Ähnliche Probleme plagen in Leskovac auch den zweijährigen Dimitrij. Ihr Sohn habe sich von den englischsprachigen Zeichentrickfilmen des Baby-TV-Kanals schon in seinen ersten Lebensmonaten „nicht trennen“ können, berichtet dessen Mutter der Tageszeitung „Blic“: „Anfangs dachten wir, dass es für unser Kind förderlich ist, so früh eine Fremdsprache zu erlernen. Aber nun lehnt er es ab, mit anderen Kindern auf Serbisch zu kommunizieren. Und die Großeltern verstehen kein Wort, was er sagt, wenn sie auf ihn aufpassen.“

Serbische Kindergartenkinder kämpfen mit Artikulationsproblemen

In größeren Staaten werden die Baby-TV-Sendungen meist in die Landessprache synchronisiert und so treten deren Folgen nicht so krass zu Tage. Doch die Problem- und Ausgangslage ist dieselbe wie in Serbien. Ob das Essen gekocht, ein Telefonat geführt werden oder endlich Ruhe ins Kindertollhaus einkehren soll: Für die stressgeplagten Eltern von Kleinkindern sind die 24 Stunden über den Äther flimmernden Baby-TV-Kanäle nicht nur in schlaflosen Nächten oft die letzte Rettung. Doch obwohl selbst kritische Geister an den harmlosen Abzählreimen und Einschlafliedchen kaum etwas Anstößiges bemerken können, birgt der scheinbar erlösende Eltern-Griff zur Fernbedienung für das Publikum der Baby-TV-Kanäle Risiken.

Stundenlange Berieselung durch Baby-Fernsehen erweist sich nach Ansicht von Medienpädagogen und Logopäden für Kleinkinder als Entwicklungshemmer, der das Sprachvermögen beeinträchtigen, Autismus und Schlafstörungen vermehren und sie von ihrer Umwelt isolieren kann.

Fast zwei Drittel der serbischen Kinder im Kindergartenalter kämpfen mit Artikulations- und Kommunikationsschwierigkeiten. Miranja Sovilj, die Direktorin des Instituts für Experimentale Phonetik und Sprach-Pathologie in Belgrad, führt dies direkt auf überhöhten Konsum von Fernsehen und Video-Spielen zurück: „Letztendlich ist das eine einseitige Kommunikation, bei der das Kind stundenlang schweigt. Und die Zeit vor dem Schirm geht auf Kosten des Spielens und der Sozialisation.“

Der Bildschirm ersetzt nicht die Zuwendung der Eltern

Die Fernseh-Ära des fünfminütigen Sandmännchens am Abend ist unwiderruflich vorbei. In Zeiten, in denen meist beide Eltern berufstätig sind, scheint der gelegentliche Rückgriff auf elektronische Babysitter kaum mehr zu vermeiden. Doch letztendlich kann der flimmernde Schirm die Zuwendung der Eltern eben nicht ersetzen.

Würden bei Kleinkindern auffällige Kommunikationsstörungen signalisiert, empfehle sie die dringende Verbannung des Baby-Fernsehens aus dem Kinderzimmer und die schnellstmögliche Anmeldung in einer Kinderkrippe, berichtet die Kinderpsychologin Snezana Stojanovic Plavsic in Leskovac der Zeitung „Blic“. Gefordert seien jedoch vor allem die Eltern: „Es ist unumgänglich, dass sie in diesem Entwicklungsstadium die natürliche Kommunikation mit ihrem Kind so oft wie möglich suchen – und wiederherstellen.“