Im Kindergarten Foto: dpa

Leserin Ellen Schultheiß leitet einen Kindergarten. Sie berichtet von den Vorzügen des Dialekts.

Leserin Ellen Schultheiß leitet einen Kindergarten. Sie berichtet von den Vorzügen des Dialekts:

"Ich arbeite in einem Kindergarten, in dem sich Kinder mit zehn verschiedenen Muttersprachen und den damit verbundenen Kulturkreisen täglich begegnen. Also wahrlich ein interkultureller Kindergarten, in dem das Thema Sprache im Mittelpunkt steht. Obwohl unsere gemeinsame Umgangssprache natürlich das Schriftdeutsch ist, wird neben den Sprachen, die die Kinder mitbringen, auch bei uns der schwäbische Dialekt bewusst gepflegt. Die Kinder singen schwäbische Lieder, sprechen Verse, und auch der Alltag ist mit ,schwäbischen Einsprengseln' durchsetzt, was alle Kinder freut. Fremdworte wie ,Hendschich', ,Breschtling' und ,Doggale' machen den Kindern großen Spaß. Neueste Forschungen haben ergeben, dass Kinder, die mit einem Dialekt aufwachsen, sich im Erlernen von Fremdsprachen leichter tun. Rudolf Steiner, Begründer der Waldorfpädagogik, der ja gerade in aller Munde ist, merkte dazu an: Von der Geburt bis zum Zahnwechsel bildet das Kind seine Sprache plastisch aus.

Wenn das Kind das Glück hat, sich in diesem Lebensabschnitt an eine Dialektsprache anpassen zu können, die von vornherein schon innerlicher mit dem Menschen verbunden ist als die Schriftsprache, so ist das Kind viel mehr willensgemäß und autoritätsgemäß bei der Sprachbildung intimer mit der Sprache verbunden als bei der Schriftsprache . . ." (Rudolf Steiner aus "Die Erneuerung der pädagogisch-didaktischen Kunst durch Geisteswissenschaft")

Der Dialekt ist für mich die Sprache des Herzens! Zum Beispiel Trost spenden kann ich, durch und durch Schwäbin, nur im Dialekt. Ich habe aber ein Problem! Da ich die ganzen schwäbischen Lieder, Reime und Spiele nur aus meiner eigenen Kindheit mündlich überliefert kenne, ist mir oft etwas unvollständig im Gedächtnis geblieben. Von einigen Liedern kenne ich nur noch die erste Zeile, den ersten Vers oder den Refrain. Natürlich gibt es Liederbücher und Liedgutsammlungen, aber kurioserweise oft in Hochdeutsch. Ich suche unter anderem ein Frühlingslied, das so beginnt: "Grene, grene Gräsla guggat scho hervor, kommt des Oschterhäsle, spitzt sei langes Ohr!" Wer könnte mir da helfen?

Hier noch eine kleine Begebenheit, die zeigt, zu welchen Missverständnissen das schwäbische "net" (nicht) führen kann. Ein kleiner türkischer Bub freute sich im Garten über den warmen Sommerregen, hüpfte in jede Pfütze und rief: "Es reg! Es reg!" Meine Kollegin antwortete ihm: "Du meinst wohl: Es reg-net!" Darauf er mit wissender Miene: "Doch! Es reg!"

Unser schwäbischer Spruch des Tages: "S'oinzig Gmias des i mag, isch's Bier."

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